Ein aufwendiger Fotoband zeigt Luftaufnahmen des Abendblatt-Fotografen Günther Krüger aus den Jahren 1954 bis 1969. Und damit auch Wandel und Werden einer modernen Stadt.

Altstadt. Es gibt Bücher, die Verlage publizieren, um Geld zu verdienen. Und es gibt wenige Werke, die entstehen aus Liebe. Sie sind aufwendig, großformatig, kostspielig und etwas speziell. Es sind Bücher, in die sich Leser vergucken und dereinst im Antiquariat Liebhaberpreise zahlen werden. Einen solchen Glücksfall hat gestern der kleine aber feine Hamburger Verlag Dölling und Galitz präsentiert: Im elften Stockwerk des ehemaligen „Spiegel“-Hochhauses konnten Neugierige einen doppelten Blick auf die Stadt werfen. Den ersten durch die Glasfassade auf die HafenCity, den zweiten in das Buch „Hamburg aus der Luft 1954–1969“.

In diesem Bildband sind mehr als 100 Fotografien des ehemaligen Abendblatt-Fotografen Günther Krüger versammelt. Die Brillanz seiner Bilder begeisterte 2013 Tausende im Rahmen der Abendblatt-Serie „Hamburg, wie hast du dich verändert?“ und der Ausstellung in der Springer-Passage. Die Luftbilder rücken das Hamburg der Nachkriegszeit in ein faszinierendes Licht.

Es ist dem Fotografen Jürgen Joost zu verdanken, dass dieser Schatz gehoben wurde. Vor vier Jahren entdeckte der Abendblatt-Mitarbeiter bei einer Bekannten eine kleine Mappe mit faszinierenden Fotos, die Günther Krüger über Jahre aus dem Hubschrauber geschossen hatte. Im Antiquariat Joachim Lührs an der Michaelisbrücke fand er andere Bilder und recherchierte weiter, suchte in Archiven, sprach mit älteren Kollegen und rief alle Krügers aus dem Hamburger Telefonbuch an: Schließlich stieß er in München auf Krügers Sohn Alexander Kirchheim und dessen umfassendes Bilderarchiv. Rasch gewann Joost weitere Begeisterte für die Luftbilder aus einer anderen Zeit.

„Wir wollten einfach, dass das erscheint“, sagt Sabine Niemann, Verlagsleiterin bei Dölling und Galitz mit Blick auf das 1650 Gramm schwere Werk. Einige Sponsoren, unter ihnen die Projektentwickler Dieter Becken, Alexander Gerard und Peter Jorzick, helfen bei der Finanzierung; Oberbaudirektor Jörn Walter unterstützt das Projekt ebenfalls. „Das Buch zeigt auf beeindruckende Weise, wie schnell diese Zeit ganze Stadtteile verändert hat“, sagt er bei der Präsentation. „Es ist ein wichtiges Werk von extremer Aktualität.“ Einen Seitenhieb auf heutige Diskussionen kann sich der Oberbaudirektor nicht verkneifen. „Man kommt ins Grübeln, worüber wir heute streiten“, sagt er in Bezug auf die Debatten um einzelne Bauvorhaben, während früher ganze Viertel komplett überplant wurden.

Ein Stück Biografie der Stadt

Dass dieses Buch nicht allein in der Geschichte der 50er- und 60er-Jahre verharrt, sondern in die Gegenwart weist, ist dem Hamburger Autor Gert Kähler zu verdanken. Kähler ist ein Architekturerzähler, der seinen Leser fesseln kann und Hamburg kennt wie kaum ein anderer. Der 1942 geborene Autor ist als junger Mann durch diese Bilder gelaufen. Vieles erkannte er wieder: „Ich erinnere mich an den Geruch dieser Stadt, an das Klingeln der Straßenbahnen“, sagt Kähler. „Dieses Buch ist ein Stück Biografie dieser Stadt.“

Das Buch schwelgt nicht in kitschiger Nostalgie, sondern versteht sich als Architekturgeschichte für jedermann. So schreibt Kähler über ein Foto der Innenstadt von 1969: „Die alte Stadt im Vordergrund – die Speicherstadt – wirkt wie eine Kulisse, die man vor die neue gezogen hat. Die Unvereinbarkeit beider Teile macht zu einem Teil auch unser heutiges Unbehagen mit der ‚neuen Stadt‘ aus.“ Gert Kähler ordnet in seinen Bildbeschreibungen ein, erklärt, er bricht aber nicht den Stab über die Sünden von gestern, sondern fragt: „Was sagen wir in 50 Jahren?“

Krüger/Kähler: „Hamburg aus der Luft 1954–1969“, Dölling und Galitz, 180 Seiten, 49,90 Euro