„Fack ju Göhte“-Star Karoline Herfurth über ihr Studium, ihren neuen Film „Rico, Oskar und die Tieferschatten“ und ihr großes Lampenfieber.

Hamburg. Ein heller Teint, auf dem die Sommersprossen tanzen: Karoline Herfurths Gesicht verrät schon, wie viel Zartheit, Anmut, aber auch Temperament und Lebensfreude in ihr stecken. Mit Girlie-Rollen in Erfolgskomödien wie „Crazy“ oder „Mädchen Mädchen“ ist sie bekannt geworden, weltberühmt aber wurde sie 2006 als rothaariges Mirabellenmädchen in Tom Tykwers „Das Parfum“. Danach bewies sie oft, dass in ihr eine große Charakterdarstellerin steckt – etwa im Drama „Im Winter ein Jahr“. Gerade ist Karoline Herfurth 30 geworden – und spielt nun in der Kinderbuchverfilmung „Rico, Oskar und die Tieferschatten“ eine Mutter mit großem Herzen, lernbehindertem Sohn und Berliner Schnauze. Am Donnerstag kommt der Film in die Kinos.

Hamburger Abendblatt: Sie spielen die alleinerziehende Mutter des zehnjährigen Rico, der Hauptfigur von „Rico, Oskar und die Tieferschatten“. Kannten Sie dieses Kinderbuch vor dem Dreh?
Karoline Herfurth: Ich habe es erst gelesen, als ich die Anfrage bekam. Aber jetzt lese ich gerade den zweiten Teil und liebe diese Bücher. Ich weiß nicht, wo der Autor Andreas Steinhöfel diese wunderbaren Ideen herholt. Er schreibt so lustige, fantasievollen Sachen!

Wie war Ihre eigene Kindheit? Sie haben ja sieben Geschwister und sind in einer Patchwork-Familie aufgewachsen.
Herfurth: Wenn ich an meine Kindheit denke, habe ich das Gefühl, es war ein wildes, buntes, sehr liebevolles Durcheinander. Ich habe diese Patchwork-Situation sehr geliebt und hatte immer das Gefühl von Geborgenheit in diesem großen Haufen Familie. Man ist beschenkt mit einer großen Gruppe von Menschen, denen man sehr viel bedeutet und die mir sehr viel bedeuten.

Gibt es bei den unterschiedlichen Parteien nie Zwist?
Herfurth: Der Zusammenhalt ist jetzt, da wir so eine breit aufgestellte Familie sind – alle Generationen sind da drin –, größer denn je. Ich mag dieses bunte Chaos.

Sie sind ja nicht nur Schauspielerin, sondern studieren an der Humboldt-Uni Politologie und Soziologie. Wie vereinbaren Sie Beruf und Studium?
Herfurth: Ich muss gestehen, ich habe das Studium aufgrund meiner beruflichen Situation ein bisschen vernachlässigt. Ich würde mir wünschen, dass ich da mehr einsteigen könnte, weil alle meine Kommilitonen an mir vorbeiflitzen. Ich mache schon Teilzeit, habe also für den Bachelor sechs Jahre statt drei, weil ich berufstätig bin. Aber ich fürchte, ich brauche noch länger ...

Aber Sie bleiben dran?
Herfurth: Ich will es unbedingt schaffen, das zu Ende zu bringen. Die Anwesenheitspflicht macht es mir natürlich nicht leicht. Ich habe schon mit Dozenten reden können, dass ich Extra-Leistungen bringe und dafür mal fehlen kann. Wenn ich einen Film drehe, ist einfach ein Semester gegessen. Manchmal kommen Rollenangebote auch kurzfristig, dann steigst du nach der Hälfte des Semesters wieder aus. Das ist dann manchmal etwas frustrierend.

Warum ist Ihnen das Studium wichtig?
Herfurth: Es gibt eine Seite in mir, die extrem verkopft ist und diese theoretische Auseinandersetzung unglaublich braucht. Sonst fange ich an, mich zu langweilen. Ich mag es, mir Gedanken über größere und allgemein umfassendere Themen zu machen, eben wie Politik oder Soziologie. Diese Fächer sind schon überwältigend. Sie stellen das gesamte eigene Welt- und auch Wertebild infrage.

Die Fachbücher lassen sich aber nicht in den Drehpausen lesen, oder?
Herfurth: Selten. Bei der „Gänsemagd“ habe ich morgens zwei Stunden in der Maske die Klassiker der Polittheorie gelesen – Aristoteles, Platon. Das ist crazy, das sind ja Gedankenwelten, die du durchlaufen musst, dafür brauchst du Zeit und Konzentration.

Ist es schwer für Sie, von den anderen Studenten als Kommilitonin ernst genommen zu werden?
Herfurth: Nein. Die häufigste Reaktion ist Desinteresse – glücklicherweise. Mein Beruf kann mal für fünf Minuten ein Thema sein, aber viele erkennen mich gar nicht. Es gab mal einen Dozenten, der es immer vermied, mich dranzunehmen. Als er das dann doch mal tat, wurde er knallrot. Da dachte ich: „Na, das würde mich jetzt aber schon interessieren, welchen meiner Film du gesehen hast!“ (lacht)

Sie haben sogar mal einen Kurzfilm inszeniert, der im „Spiegel“ hoch gelobt wurde. Könnte es Sie reizen, bei einem Spielfilm Regie zu führen?
Herfurth: Sogar sehr. Dieser Kurzfilm ist aus einem absoluten Zufall heraus entstanden. Eine Freundin hatte für ein Casting ein Demo-Band gebraucht und fragte, ob ich ihr helfen könne. Also habe ich ihr Szenen à la „Notting Hill“ vorgeschlagen – als Schauspieler brauchst du ja auf so einem Band traurige und lustige Sachen, damit du Varianten zeigen kannst. Das hat so viel Spaß gemacht, dass wir daraufhin einen ganzen kleinen Film drehen wollten. Irgendwann war der Film wirklich fertig, mit viel, viel Hilfe, und lief auch noch auf dem Filmfest Hof. Das hat mich irre stolz und glücklich gemacht. Wenn du Regie führst, wirst du komplett vereinnahmt. Ich hatte das Gefühl, alle meine Sinne, alle meine Rezeptoren werden beschäftigt und befriedigt.

Es heißt, vor öffentlichen Auftritten, selbst vor Preisverleihungen und ersten Drehtagen, seien Sie extrem nervös. Stimmt das?
Herfurth: Leider ja. Gerade vor Theateraufführungen bin ich sehr aufgeregt. Am schlimmsten sind Laudationen. Ich krieg’ das nicht locker, flockig von der Hüfte weg. Bei der Bambi-Verleihung habe ich mal eine Rede auf Keanu Reeves gehalten, da war mir so schlecht, dass ich tatsächlich überlegt habe, die Bühne zu verlassen. Auf YouTube kann man sehen, dass ich mir für einen Moment an den Bauch fasse. Die Rede war ja auch noch auf Englisch. Aber ich will ja auch ein lebendiger Mensch sein und finde es gut, dass ich bei den Dingen, die ich tue, wirklich mitfiebere.

Eine Kritik des Films lesen Sie Donnerstag in LIVE