Die berühmte Schauspielerin (“Blue Velvet“) erzählt in ihrer so unterhaltsamen wie lehrreichen Bühnenshow „Green Porno“ am Dienstag Abend auf Kampnagel vom manchmal eigenwilligen Liebesleben der Tiere.
Toronto. Das Winter Garden Theater ist ein schönes altes Theater, Baujahr 1913, mitten im Zentrum der kanadischen Metropole Toronto. Plüschig. Ein bisschen Barock. Ein Hauch Vaudeville. An diesem lauen Sommerabend bevölkern es ältere Damen und junge Männer mit Hipster-Bärten und Jutebeuteln. Anlässlich des Luminato-Festivals, eines großen übergreifenden Festivals der Künste von Musik über Tanz bis Theater, ist Isabella Rossellini angekündigt.
In der Inszenierung steht sie in schlichtem Schwarz vor einer Leinwand an einem Stehpult. Später wird sie sich ein recht spektakuläres Hamsterkostüm überstreifen. Ihr Thema sind allerlei Absonderlichkeiten im Liebesleben der Tiere. „Green Porno“ heißt ihre erfolgreiche Mischung aus Wissenschaftsshow und Doku-Filmabend, mit der sie bereits in 30 Ländern durch ausverkaufte Hallen tourte. Heute Abend gastiert sie auf Kampnagel.
Nanu? Theater? Die Rossellini? Sicher, wir kennen sie als Schauspielerin, die in den 80er-Jahren für David Lynch im gleichnamigen Film so schön geheimnisvoll „Blue Velvet“ hauchte. Als überirdisch schönes Gesicht unter dem aparten dunklen Kurzhaar aus der Lancôme-Werbung. Inzwischen ist die Tochter berühmter Eltern, der Hollywood-Legende Ingrid Bergman und des italienischen Regisseurs Roberto Rossellini, 61 Jahre alt. „Eigentlich wollte ich mich zur Ruhe setzen“, sagt sie. Zwischen all den Shows bleibt nur Zeit für ein kurzes Telefonat, das sie Tage vor dem Auftritt in Toronto in ihrer Wohnung in Manhattan führt. Über ihre Vergangenheit möchte sie nicht mehr sprechen. Über „Green Porno“ hingegen schon.
„Ich interessiere mich für Tiere, seit ich ein kleines Kind war“, sagt sie. „Das hat mich vor einigen Jahren bewogen, an die Universität von New York zu gehen und tierisches Verhalten zu studieren.“ Bestärkt von Sundance-Festivalinitiator Robert Redford drehte sie irgendwann ein paar launige Kurzfilme über den Sex von Spinnen, Gottesanbeterinnen, Schnecken, Fischen oder Hamstern. „Die Biodiversität ist so interessant. Mir schwebte ein lustiger, unterhaltsamer Film über Wissenschaft vor.“ Schnell waren die wenige Minuten langen Filmchen, in denen sich Rossellini verkleidet und in farbenfrohen Kulissen mit allerlei Pappmascheetieren herumturnt im Internet ein Renner. Ironisch und zugleich tatsächlich sehr lehrreich. Oder wussten Sie, dass es Tiere gibt, die im Laufe ihres Lebens ihr Geschlecht verändern? Oder wie der Erdwurm liebt?
„Die Filme waren auf einmal so angesagt, dass es jetzt eine ganze Show gibt“, sagt Isabella Rossellini fröhlich in singendem Amerikanisch mit italienischem Akzent. Das Thema habe dabei natürlich geholfen. „Ich glaube, die Menschen sind stärker an Sex interessiert als an Verdauungsfragen.“ Zwar leben wir in einer übersexualisierten Bilderwelt, aber wer kennt sich schon wirklich aus bei diesem für die meisten doch komplizierten Thema. Nebenbei bemerkt: Mit Schmuddelstreifen haben weder die Filme noch die Show etwas gemein.
Ihre französische Model-Freundin Carole Bouquet war es, die Isabella Rossellini ermunterte „Schreib doch einen Text dazu“. Das Schreiben ist nun aber ihre Sache nicht, also holte sie sich Verstärkung. Der Drehbuch-Autor Jean-Claude Carrière (arbeitete mit Jacques Tati, Luis Buñuel, Louis Malle) griff zur Feder und schrieb einen Monolog, die Comédie-Française-Regisseurin Muriel Mayette übernahm die szenische Einrichtung.
Der Abend setzt sehr gekonnt auf einfache Mittel: die ungeheuer faszinierenden Realitäten der Natur, über die tatsächlich jeder noch etwas dazulernt, auch wenn er im Biologie-Unterricht in der Schule immer aufgepasst hat. Überdies lebt die Bühnenshow von dem charmant ironisierenden Humor der Performerin Rossellini. Belehren oder aufklären möchte sie nicht, auch wenn sie wie eine Professorin aus dem Klischee eine Brille trägt und vor ihren Zuhörern auch ganz praktisch auf einer kleinen Guckkastenbühne, die sie am Rednerpult aufklappt, Funktionsweisen demonstriert und mit Riesenpenissen hantiert.
In Toronto hat sie schon nach wenigen Minuten die Lacher auf ihrer Seite. Die Natur liefert ihr die Vorlage ganz von selbst. Da gibt es getrenntgeschlechtliche Tiere wie den Seeigel, die ihr Erbgut ins Wasser sprühen, wo sich die Samen- mit den ebenfalls frei schwebenden Eizellen vermischen. Und Tiere, die erstaunliche Verhaltensweisen entwickelt haben, um sicherzugehen, dass eine Brut auch wirklich die ihre ist.
Auch wenn Isabella Rossellini nicht belehren will, ihre „Green Porno"-Show ist ein Plädoyer für Freiheit und Vielfalt, denn sie demonstriert eine unglaubliche Variantenbreite an Fortpflanzungstechniken – und Beziehungsmöglichkeiten. Heterosexualität, Homosexualität, Hermaphroditentum, Asexualität, all das bietet die Natur. Rossellini bezeichnet sich selbst als Feministin, befragt man sie dazu genauer, wird sie nebulös. „Ich bin in den 50er-Jahren geboren. Mit Anfang 20 hat mich die feministische Bewegung umgehauen. Heute haben Frauen Jobs, können wählen, sich scheiden lassen. Ich bin froh, das erlebt zu haben und ich fand es hilfreich, dass es Frauen gab, die das in ihren Büchern analysierten. Das waren große Umbrüche.“
Die Tatsache, dass sie als Model einen gelegentlich auch belächelten Beruf ausübte, irritiert die Performerin nicht. „Ich habe als Model angefangen, wurde Schauspielerin, jetzt bin ich Regisseurin. Ich habe unterschiedliche Aspekte meiner Karriere erfahren“, so Rossellini. „Wäre ich Model geblieben, hätte ich vor 20 Jahren aufhören müssen, wäre ich Schauspielerin geblieben, hätte ich wahrscheinlich kaum Rollenangebote bekommen. So kann ich weiter arbeiten und aktiv bleiben.“
Gut möglich, dass ihre aktuelle Theater-Karriere und die Geheimnisse der Tierwelt Isabella Rossellini noch eine ganz Weile beschäftigen werden.
Isabella Rossellini: „Green Porno“ Di 17.6., 20.00, Kampnagel, Jarrestraße 20-24, Karten unter T. 27 09 49 49; weitere Infos im Internet unter www.kampnagel.de
(Die Reise wurde ermöglicht von Tourism Toronto und Kampnagel.)