Beim sechsten Hamburger Theaterfestival, das Ende September startet, sind wieder großartige Schauspieler und Inszenierungen zu sehen. Vom heutigen Freitag an gibt es Karten zu kaufen.

Hamburg. Zum sechsten Mal findet in diesem Herbst das Hamburger Theaterfestival statt. Wieder gibt es Spitzeninszenierungen aus dem deutschsprachigen Raum, Aufführungen, die in Wien, Berlin oder Zürich das Publikum begeisterten und Kritiker zu Beschreibungen wie „dieser Abend ist ein Fest genialer Schauspieler“ hinrissen. Acht herausragende Aufführungen werden zwischen 28. September und 30. November in Hamburg gastieren. Der Kartenvorverkauf beginnt heute.

Große Schauspieler- und Regisseursnamen stehen im Mittelpunkt des Festivals, das sich gänzlich aus privatem Engagement finanziert. Eröffnet das Fest wird mit dem Projekt „Die letzten Zeugen“ vom Wiener Burgtheater.

Sieben Überlebende des Holocaust – alle zwischen 80 und 101 Jahre alt – erzählen an diesem von Regisseur Matthias Hartmann und Schriftsteller Doron Rabinovici inszenierten Abend, wie sie der Vernichtung entkommen konnten. Es sind Geschichten, die 1938 beginnen und bis ins Heute führen. Zu Wort kommen die sechs wohl letzten Zeitzeugen, die die größte und perfideste je von Menschen ersonnene Massenvernichtung selbst erlebt haben. Sie sitzen schweigend auf Stühlen hinter einem durchsichtigen Vorhang auf der Bühne, ihre nur scheinbar reglosen Gesichter werden auf eine Leinwand projiziert, während vier jüngere Schauspieler deren Leidensgeschichten verlesen.

Ein Stuhl bleibt leer, ein buntes Tuch hängt über der Lehne. Ceija Stoika ist bereits während der Vorbereitungen zum Projekt gestorben. Aber auch ihre Geschichte, die einer Roma-Schriftstellerin, wird gelesen. Es sind Erzählungen von unbeschwerten Kindheiten, in die der Horror einbricht, in denen Nachbarn plötzlich zu Monstern und Familien auseinandergerissen werden. In Berlin und Wien hat dieser Abend für lange Ovationen gesorgt.

Für den Abschluss des Festivals ist der belgische Regisseur und Choreograf Alain Platel mit seinem Tanztheater „Tauberbach“ eingeladen. Der Abend über eine schizophrene Frau, die mit fünf animalischen Menschen auf einer Müllkippe lebt, birst vor fantasievollen Einfällen. Es gibt einen Chor von Gehörlosen, der Werke von Bach singt. Die Müllbewohner schwingen und schmachten. Viel Raum wird für Improvisationen genutzt. Sie ergeben 100 „unterhaltsame, anrührende“ Minuten, wie „Die Deutsche Bühne“ schrieb.

Was kommt noch? Tolle Schauspieler wie Ulrich Matthes, Johanna Wokalek, Peter Simonischek, Michael Maertens, Samuel Finzi, Hans-Michael Rehberg oder Wolfram Koch. Inszenierungen von Dimiter Gotscheff, Michael Thalheimer, Barbara Frey oder Andrea Breth. Inszenierungen der vielfach ausgezeichneten Klassikinterpretin Breth waren nur sehr selten in Hamburg zu sehen. Mit „Zwischenfälle“ hat sie großartig Kurzszenen und Improvisationen zu Stücken von Daniil Charms, Georges Courteline und Pierre Henri Cami zu einem „Witzwunder“, wie die „FAZ“ schrieb, zusammengestellt. Zehn Schauspieler geben sich der Spielfreude, dem Surrealen, Satirischen, Schwarzhumorigen hin. Breth hat in einem Interview gesagt: „Unter Umständen leben wir in einer Zeit, in der uns mehr der Unsinn zum Sinn führt.“ Am 19. und 20. Oktober gastieren mit dieser absurden Komödie unter anderem Andrea Clausen, Corinna Kirchhoff, Elisabeth Orth, Johanna Wokalek, Hans-Michael Rehberg, Udo Samel und Peter Simonischek im Schauspielhaus.

Dem im vergangenen Jahr gestorbenen Regisseur Dimiter Gotscheff, der 20 Jahre lang auch am Thalia und am Schauspielhaus inszeniert hat, sind gleich mehrere Abende gewidmet. Am Thalia sind seine Hamburger Arbeiten „Immer noch Sturm“ von Peter Handke und „Leeres Theater. Träume. Witze. Atemzüge“ von Heiner Müller nochmals zu sehen. Aus Berlin gastiert seine Inszenierung „Die Perser“ am 10. Oktober im Thalia. Samuel Finzi, Wolfram Koch, Almut Zilcher und Margit Bedokat spielen in dieser ältesten überlieferten Tragödie der Weltliteratur.

Ebenfalls vom Deutschen Theater in Berlin kommt Michael Thalheimers Inszenierung der „Jungfrau von Orleans“ (30. Oktober, Kampnagel), die die „FAZ“ als „großes Glück“ beschrieb. Der Regisseur, der viele Jahre am Thalia inszenierte („Liliom“, „Liebelei“, „Lulu“), stellt die Titelrolle vollkommen in den Mittelpunkt seiner gut zweistündigen Aufführung.

Dreh- und Angelpunkt der „Familie Flöz“ aus Berlin sind Masken, die die Schauspieler tragen. Das Theater kommt ohne Worte aus und erzählt genial einfach von den Dingen des Lebens. „Infinita“ widmet sich sinnlich und komödiantisch dem Leben und Vergehen des Menschen (1.11., Kampnagel).

Große Komödie bietet auch Carlo Goldonis „Diener zweier Herren“, die Barbara Frey mit Michael Maertens und Robert Hunger-Bühler am Zürcher Schauspielhaus inszeniert hat. „Alles schnurrt rasend schnell wie ein aufgezogenes Uhrwerk ab“ weiß die „Neue Zürcher Zeitung“, und „grundsätzlich wird alles, was verwechselt werden kann, miteinander verwechselt“. Maertens als Diener Truffaldino ist am 5. und 6.11. im Thalia zu sehen.

Bestes Schauspielertheater bieten auch Ulrich Matthes und Dagmar Manzel in „Gift“, einer Aufführung vom Deutschen Theater, die am 11. und 12.11. im St. Pauli Theater gastiert. Das Dialogstück, in dem sich zwei Menschen auf dem Friedhof über den Tod des Sohnes unterhalten und ihre Trennung Revue passieren lassen, spricht viele Wahrheiten aus.

Hamburger Theaterfestival 28.9. bis 30.11., Karten und weitere Infos unter www.hamburger-theaterfestival.de, bei den Theatern und im Vvk.