15.000 Zuschauer trotzten beim fünftne Elbjazz Festival dem Unwetter und feiern Musiker wie Dianne Reeves, Gregory Porter und Ulita Knaus.
Hamburg. Die Regengewinner sind Girls In Airports. Als sich der Himmel gegen 20.30 Uhr am Sonnabend verfinstert und eine Gewitterfront die Elbe heraufzieht, drängen sich Hunderte Elbjazz-Besucher vor der Open-Air-Bühne Am Helgen und sind durch das aufgespannte Zeltdach vor den Regenfluten geschützt. Umfallen ist nicht möglich, so dicht drängen sich die Jazz-Fans zusammen. Die fünf dänischen Musiker spielen mit einem rockigen Crossover-Jazz gegen Blitz und Donner an und bringen die Masse sogar zum Tanzen oder besser zum Wippen – mehr ist angesichts der Enge nicht möglich.
Ein volles Haus hat auch US-Sängerin Dianne Reeves, die parallel zu den Dänen in der Alten Maschinenbauhalle auf dem Werftgelände auf der Bühne steht. Wer kein trockenes Plätzchen gefunden hat, schützt sich mit Regencapes und Schirmen oder drängt sich unter den schmalen Überdachungen der Gastrostände.
Wie schon im Vorjahr ist das Wetter erneut Thema beim Elbjazz. Dabei hatte das zweitägige Festival mit rund 50 Konzerten – hauptsächlich zwischen HafenCity und Speicherstadt – am Freitag mit Sonnenschein begonnen, und auch am Sonnabend zeigte sich das Wetter zunächst von seiner angenehmen Seite. Bis ein Unwetter den Platz bei Blohm + Voss unter Wasser setzt, im Thalia-Zelt das Programm wegen neun Windstärken abgebrochen wird und auch der Barkassen-Shuttle zwischen HafenCity und Blohm+ Voss für eineinhalb Stunden eingestellt werden muss. Doch die meisten Jazzfans harren geduldig im Regen aus, denn sie wollen unbedingt Gregory Porter erleben, den neuen Star des Vocal Jazz und die überragende Persönlichkeit im Programm des Festivals.
Mit einstündiger Verspätung kommt er auf die Bühne, angekündigt vom mächtigen Typhon des im Dock liegenden Ozeanriesen „Queen Elizabeth“. Von der ersten Sekunde an swingt der 42 Jahre alte schwarze Hüne aus Bakersfield in Kalifornien los. Er startet seinen Auftritt mit „On My Way To Harlem“, erwähnt Duke Ellington und Marvin Gaye und gibt damit die Richtung vor.
Porter verbindet in seinem Gesang traditionellen Swing mit Soul, seine außergewöhnliche Band addiert moderne Jazzklänge zu seinem unvergleichlichen Stil. Seit Al Jarreau hat es keinen Jazzsänger mehr von diesem Format gegeben wie den 1,90 Meter großen Afroamerikaner. Die Nachfrage nach Porter-Konzerten ist weltweit enorm, jedes Festival möchte den Mann mit der Mütze verpflichten. Seine Hamburger Fans haben Glück, denn am 12.September wird er im Stadtpark zusammen mit einem 60-Mann-Orchester auftreten.
15.000 Zuschauer sind in diesem Jahr zum Elbjazz gekommen, genauso viele wie im Vorjahr. „Wir sind zufrieden mit der Auslastung, da wir in diesem Jahr keinen Crossover-Star wie Jamie Cullum dabeihatten, sondern auf ein reines Jazzprogramm gesetzt haben“, sagt Bernd Zerbin, Pressesprecher vom Veranstalter FKP Scorpio. Auch 2015 solle es ein Elbjazz Festival geben. Das Unwetter sei zwar auch für die Elbjazz-Organisation überraschend gekommen, „aber in solchen Situationen gibt es Notfallpläne, die sofort greifen“.
Nicht nur auf den großen Open-Air-Bühnen, sondern auch in den Clubs werden viele Ensembles enthusiastisch gefeiert. Im Kehrwieder-Theater legt der italienische Pianist Raphael Gualazzi mit seiner Band einen furiosen Auftritt hin, auf der MS „Stubnitz“ begeistert der junge US-Gitarrist Nir Felder. Hugh Masekela bringt die Zuhörer am Freitagabend mit seinem Afro-Jazz zum Tanzen, Ulita Knaus ist gerührt von den Menschenmassen in der überfüllten Maschinenbauhalle, Stefano Bollani verblüfft bei einem Auftritt mit der NDR Bigband mit atemberaubendem Klavierspiel, Pink Freud aus Polen blasen dem Auditorium mit ihrem Hochenergie-Jazz die Ohren frei. Wie in den Vorjahren gibt es wieder sehr viele sehr gute, oft noch unbekannte Künstler zu entdecken. Die programmatische Ausrichtung stimmt.
Ein großes Gesprächsthema beim Elbjazz ist immer noch die Verleihung des Echo Jazz am Donnerstagabend auf Kampnagel. Fast einhellig sind Künstler und Branchenvertreter empört über Hubertus Meyer-Burckhardt, der die Gala völlig unvorbereitet moderiert hatte und mit seinem Unwissen kokettierte. Auf Unverständnis stößt auch, dass Meyer-Burckhardt bei der vom NDR ausgerichteten Gala ein etwa zehnminütiges Interview mit den ESC-Teilnehmerinnen der Band Elaiza führte, Echo-Gewinner dagegen von ihm schon nach kurzer Zeit von der Bühne komplimentiert wurden. Dem Bemühen der Hansestadt um eine Aufwertung des Jazz in Hamburg hat das, so die überwiegende Einschätzung, einen Bärendienst erwiesen.