Die Leichen-Schau störe die Totenruhe. Die Darstellung abgezogener Haut, aufgesägter Schädel und weitaufgerissener Augen löse in ihr „das Gefühl aus, dass hier schützenswerte Grenzen verletzt werden“.
Hamburg. „Körperwelten – eine Herzenssache“ heißt die Ausstellung des umstrittenen Plastinators Gunther von Hagens, die ab diesem Freitag in der KulturCompagnie in der Hamburger Hafencity zu sehen ist. Das Interesse an den plastinierten Körpern ist groß: Seit 1995 besuchten weltweit rund 40 Millionen Menschen die immer wieder modifizierte Wanderausstellung.
Das Pikante in Hamburg: Genau gegenüber des Ausstellungsortes liegt das Ökumenische Forum HafenCity mitsamt der Bischofskanzlei. Bischöfin Kirsten Fehrs übt deutliche Kritik an den Plastinaten und ist Schirmherrin der geplanten Foto-Ausstellung „Lebenswelten“. Die Darstellung abgezogener Haut, aufgesägter Schädel und weitaufgerissener Augen löse in ihr „das Gefühl aus, dass hier schützenswerte Grenzen verletzt werden“, schreibt Fehrs in der „Evangelischen Zeitung“, die am Sonntag in Hamburg erscheint. Die Leichen-Schau störe die Totenruhe. Ihr Umgang mit den Toten sei „meilenweit entfernt von den Diskussionen, die derzeit in seriösen Museen geführt werden“, so Fehrs. Die „marktschreierischen Körperwelten“ nutzten dagegen die Toten als Objekt.
Ähnlich hatte es jüngst der evangelische Bischof Markus Dröge in Berlin formuliert, wo ein dauerhaftes Museum mit Plastinaten errichtet werden soll. Dies sei „ein würdeloser Umgang mit Toten“, kritisierte Dröge, die Totenruhe würde durch Zurschaustellung verletzt. Leichen würden zu einer Touristenattraktion.
Das Herz, um das es bei den „Körperwelten“ besonders geht, werde auf den bloßen Muskel reduziert, so die Bischöfin weiter: „Doch was ein Herz ist, kannst du nicht erfahren, in dem du ein echtes ausstellst.“ Hinter der gläsernen Inszenierung des toten Körpers sei das Wunder des Lebens nicht zu erkennen. Doch der Mensch sei Körper und Seele in einem – das meine die Redeweise von „Gottes Ebenbild“. Dieses Geheimnis werde unfassbar bleiben, und das sei gut so.
Ende Juni soll es das Projekt „Lebenswelten“ geben
In Hamburg will das „Ökumenische Forum HafenCity zu einer Auseinandersetzung und einem Dialog mit den “Körperwelten einladen. Ende Juni soll es das Projekt „Lebenswelten“ geben. Dafür wird vor dem Forum ein mobiles Fotostudio aufgebaut. Besucher der Ausstellung, Bewohner der HafenCity und andere Interessierte sind eingeladen, eine eigene Ausstellung mit zu gestalten, die Menschen in ihrer Vielfalt und Lebendigkeit zeigt. Für dieses Projekt hat die Bischöfin die Schirmherrschaft übernommen. Bei der traditionellen „Nacht der Kirchen“ (6. September) sollen die lebensgroßen Porträts unter dem Motto „Beherzt“ ausgestellt werden.
„Wir wollen Menschen dazu ermutigen, anhand von Symbolen und mit Hilfe von Mimik und Gestik zum Ausdruck zu bringen, was für sie Leben bedeutet und wofür ihr Herz schlägt“, sagt Pastor Carsten Hokema, einer der Initiatoren und Fotograf von „Lebenswelten“. Dabei soll auch der Aspekt der Gottesebenbildlichkeit aufleuchten. „Jeder Mensch ist es wert, angesehen zu werden“, sagt der Baptistenpastor. Die Idee zu den „Lebenswelten“ entstand im vergangenen Jahr in Bochum. Auch dort gab es die Ausstellung „Körperwelten“ direkt gegenüber einer Kirche. „Dass das Leben gelingt, ist zentrales Anliegen unseres Glaubens , so Pastorin Antje Heider-Rottwilm vom Ökumenischen Forum.