Intendanten von Hamburger Privattheatern trafen sich beim Abendblatt und sprachen mit Kultursenatorin Barbara Kisseler über Geld, Pläne und Zukunft. Es war der erste Hamburger Privattheater-Gipfel.

Hamburg Die Theaterstadt Hamburg verdankt ihren Erfolg und ihre bundesweite Ausstrahlung nicht nur den Staatstheatern, dem Hamburg Ballett, Kampnagel und den Musicalhäusern, die jährlich Hunderttausende Touristen anlocken. Den zweiten Pfeiler, auf dem der Erfolg mit mehr als 1,5 Millionen Besuchern pro Jahr ruht, bilden die 35 Hamburger Privattheater. Das gerät leicht aus dem Blick, denn die 7,6 Millionen Euro Staatszuschuss für die Privaten nehmen sich im Vergleich zur Subvention der Staatstheater (Oper, Schauspielhaus, Thalia) in Höhe von 100 Millionen Euro (bei knapp 960.000 Besuchern) gering aus. Einige private Häuser, darunter das Schmidt Theater mit mehr als 400.000 Besuchern im Jahr, das Imperial Theater oder das Winterhuder Fährhaus erhalten gar keine staatlichen Zuschüsse. Für die staatlichen Bühnen ist allerdings mit den Subventionen ein Auftrag versehen, nämlich allen Bürgern anspruchsvolles, zeitgemäßes Theater zu präsentieren, dessen Besuch sie sich leisten können. Rund 1000 Mitarbeiter beschäftigen die Staatsbühnen, die keine exorbitanten Gehälter zahlen. Die Selbstausbeutung ist bei den Mitarbeitern der Privattheater jedoch größer.

Um über die Lage und die Zukunft der Privattheater zu diskutieren, lud das Hamburger Abendblatt am Mittwoch Kultursenatorin Barbara Kisseler und die Intendanten der größten Häuser zum ersten Hamburger Privattheatergipfel. Im Anschluss an ein Referat der Senatorin wurde drei Stunden lang im Plenum und in Arbeitsgruppen engagiert die Lage der privaten Bühnen diskutiert. Dabei ging es vorrangig um die häufig schwierige finanzielle Lage der Häuser. Doch auch künstlerische Trends, Spielpläne und die Bedeutung der Privattheater für die Stadt wurden intensiv thematisiert.

Zudem gab die Senatorin bekannt, dass die Kulturbehörde zehn Produktionen der kommenden Spielzeit mit 224.000 Euro Projektmitteln unterstützt, darunter Produktionen im Opernloft, Lichthof Theater, Polittbüro und im Theater Kontraste. Auch das kleine, feine Hoftheater Ottensen, das English Theatre, das Sprechwerk und das Monsun Theater werden bedacht.

Kisseler eröffnete die Veranstaltung mit einem Ausflug in die Historie der „außergewöhnlichen Privattheaterlandschaft“ in Hamburg. Sie erinnerte an die Nachkriegszeit, in der viele der Privattheater, die heute noch wichtiger Teil der Landschaft sind, gegründet wurden. Dazu zählen die Hamburger Kammerspiele, 1945 von Ida Ehre in der Hartungstraße eröffnet, das Theater im Zimmer, 1948 gegründet von Helmuth Gmelin, das Ernst Deutsch Theater, 1951 von Friedrich Schütter gegründet, und das Altonaer- und Harburger Theater, deren Geschichte 1945 in einem Ausflugslokal in Rönneburg begann.

Außerdem wurden die Boulevardtheater Rendezvous 1948 und die Kleine Komödie 1953 von Peter Ahrweiler eröffnet. Das älteste Privattheater, das St. Pauli Theater, wurde wie das 1902 gegründete Ohnsorg-Theater fast durchgehend bespielt. „Dieser Umstand“, so Kisseler, mache „den essenziellen Mehrwert der Hamburger Privattheaterlandschaft deutlich: Die Hamburgerinnen und Hamburger haben nach dem Krieg in den Theatern nicht in erster Linie Stücke zur Ablenkung, Vergnügen und Verdrängung vorgefunden, sondern eine Auseinandersetzung mit Moral, Schuld, Werten und Verführbarkeit. Die Aufarbeitung des Traumas des Zweiten Weltkrieges ist als Thema in den Theatern aufgegriffen und aufgearbeitet worden, sowohl über Klassiker, als auch über moderne Dramatik.“ Weiter erinnerte Kisseler in diesem Zusammenhang an die Aufführung von Wolfgang Borcherts Stück „Draußen vor der Tür“ in den Hamburger Kammerspielen, die für viele Hamburgerinnen und Hamburger zu einem ergreifenden Schlüsselerlebnis wurde.

Anhand des historischen Abrisses hielt Kisseler fest, die Privattheater hätten ihre Aufgabe von Anfang an im gesellschaftlichen Diskurs gesehen, „sich eingemischt und ihrer Arbeit einen Bildungsanspruch zugrunde gelegt“. Diese Tradition habe sich erhalten und zeichne die Privattheaterlandschaft aus.

Ausdrücklich würdigte die Kultursenatorin die Arbeit der Theater, die ihren Schwerpunkt auf Unterhaltung legen. „Gut gemachte Unterhaltung – sei es Komödie oder Kabarett – gehört zu den schwersten Disziplinen im Theaterbereich und wird entschieden zu oft unterschätzt“, sagte Kisseler. Anschließend bekannte die Senatorin, dass die Kulturpolitik mit der Unterstützung der Privattheater vor einer großen Herausforderung stehe. Zwar würden zahlreiche Privattheater institutionell, durch Projektmittel oder bei Investitionsmaßnahmen unterstützt. Der Handlungsspielraum in Hamburg habe sich jedoch im Wesentlichen nicht erweitert. Ursache sei die Einhaltung der Schuldenbremse, die sich die Stadt zur wichtigsten Aufgabe gemacht habe.

Barbara Kisseler sagte: „Die Notwendigkeit der Konsolidierung zwingt uns, in allen Bereichen über Erfordernisse nachzudenken, aber Kultur, und das ist meine tiefste Überzeugung, Kultur ist lebensnotwendig für die Gestaltung einer kreativen, und dadurch lebenswerten Stadt sowie für den Zusammenhalt der Gesellschaft. Kultur trägt dazu bei, unser Zusammenleben in der Stadtgesellschaft zu hinterfragen, sinnstiftend zu wirken, uns zu verbinden.“ Die Privattheater bauten im Spannungsfeld von Elitekunst und der Kultur, Brücken, seien zugleich traditionell und experimentell, so die Senatorin.

Abschließend wies Kisseler darauf hin, dass die Privattheater mit ihren über die gesamte Stadt verteilten Standorten die einzelnen Bezirke beleben. Andererseits lockten sie auch Touristen in großer Zahl nach Hamburg. Der Kulturbehörde sei es ein wichtiges Anliegen, durch die Förderung der Privattheater die Unabhängigkeit der Häuser zu unterstützen, damit sie sich ein gewisses Maß an Risikobereitschaft zugunsten der künstlerischen Freiheit erhalten können. „Künstlerisches Engagement und künstlerische Qualität stehen dabei deutlich im Vordergrund“, sagte Kisseler abschließend.

Die Privattheater sehen das ganz genauso.

Die teilnehmenden Theater: Ohnsorg-Theater, Ernst Deutsch Theater, Kammerspiele, St. Pauli Theater, Winterhuder Fährhaus, Opernloft, Polittbüro, English Theatre, Kammeroper, Das Schiff, Lichthof Theater, Sprechwerk, Monsun Theater, Engelsaal, Imperial Theater, Lustspielhaus