Ein Gespräch mit Michael Lang, Intendant der Komödie Winterhuder Fährhaus über Erfolgsrezepte, Trutschigkeit und einen Satz, wie er so nur am Theater fallen kann: „Evchen, ab morgen bist du die Nutte“.

Hamburg „Ein Intendant hat zwei natürliche Feinde: Seinen Vorgänger und seinen Nachfolger“, hat einmal einer gesagt, der darüber nicht so befreit lachen konnte wie Michael Lang. Er ist in der 25-jährigen Geschichte seines Theaters erst der zweite Intendant an der Komödie Winterhuder Fährhaus, sein Vorgänger Rolf Mares war zugleich sein Mentor. Ein ganzes Jahr waren beide gemeinsam an dem Hamburger Privattheater, bevor Lang, studierter Kulturmanager, die Leitung der Bühne von Mares übernahm.

Dass die Geschichte des Winterhuder Fährhauses eine Erfolgsgeschichte ist, ist auch dem jungenhaften, freundlichen, aber auch beharrlichen Michael Lang zu verdanken, für den qualitätvolle Boulevard-Unterhaltung auf der großen Bühne und ein mutiges, bisweilen herausforderndes Programm im kleinen Saal keine Widersprüche sind, sondern sich ergänzen.

Hamburger Abendblatt: Sie sind seit 15 Jahren am Winterhuder Fährhaus. Ist dieser Job eine Lebensaufgabe?

Michael Lang: Im Privattheaterbereich ist das gar nicht so ungewöhnlich lang. Wir sind ja ein Familienunternehmen, der Familie Wölffer gehört die Bühne, ich sehe mich da schon als Teil dieser Familie. Ich habe keinen Drang auszubrechen. Wichtig ist es natürlich, seinen Platz innerhalb der Theaterlandschaft zu behaupten, die große Vielfalt, die wir anbieten, auch zu transportieren.

Kontinuität ist vermutlich eines Ihrer Erfolgsrezepte – welche würden Sie noch benennen?

Lang: Vor allem die fabelhaften Schauspieler. Und unser Haus ist breit aufgestellt. Unser Ziel ist es, die Dinge geräuschlos zu variieren, Weiterentwicklung trotz Kontinuität. Entscheidend sind Service, Zugewandtheit zum Abonnenten, und wir zeigen in unserem Genre Qualität. Ich bin davon überzeugt, dass das Live-Erlebnis auf der Bühne kein Auslaufmodell ist. Wer in Hamburg Unterhaltung mit Niveau sucht, guckt in den Spielplan der Komödie.

Dem Boulevardtheater haftet bisweilen der Ruf der Trutschigkeit an. Perlt so ein Etikett an Ihnen ab?

Lang: Wir sind kein Avantgarde-Theater. Staatlich subventionierte Häuser können und sollten sicher mehr wagen. Aber es ist auch für uns nicht ausgeschlossen, mal etwas zu riskieren. Man setzt die Reizpunkte nur etwas moderater, nimmt das Publikum mit. Am 8. Oktober haben wir beispielsweise im Theater Kontraste eine Premiere mit Dea Lohers Stück „Am schwarzen See“. Das ist anspruchsvoll, ein Wagnis, und es ist in Hamburg noch nie gespielt worden. Aber auch innerhalb des Boulevard-Theaters bieten wir viele Facetten, mehr als die Schublade, in die das Haus gern gesteckt wird.

Geht die Rechnung auf, mit dem Theater Kontraste auch einem jüngeren Publikum, also Ihren Zuschauern von morgen, die Schwellenangst zum Winterhuder Fährhaus zu nehmen?

Lang: Anfangs war das Publikum sehr getrennt, mittlerweile kommen tatsächlich einige über den Einstieg im kleinen Saal auf die Idee, auch mal ins Große Haus zu gehen. Ich habe das Theater Kontraste immer als Weiterentwicklung gesehen. Wir sehen uns da in der Tradition von Gerda Gmelin, der Prinzipalin des Theaters im Zimmer. Wir haben sogar noch ihren Segen bekommen. Natürlich funktioniert Kontraste auch nur über die Synergieeffekte mit der Komödie und ehrlicherweise auch durch die Tatsache, dass dort alle wenig verdienen.

Welche Anekdote ist Ihnen in Ihren 15 Jahren an der Komödie besonders im Gedächtnis geblieben?

Lang: Eine Vorstellung vom „Kaiser vom Alexanderplatz“ mit Walter Plathe, als eine Schauspielerin zum Vorstellungsbeginn einfach nicht auftauchte. Handys waren noch nicht verbreitet, keiner wusste, was passiert war, nämlich, dass sie auf dem Weg zum Theater angefahren wurde und sogar bewusstlos war. Wir haben uns damit behelfen müssen, dass jemand ihren Text einfach vorlas. Dann sah Walter Plathe von der Bühne aus im Publikum die Schauspielerin Eva-Maria Bauer sitzen. In der Pause ließ er sie ausrufen, was ihr sehr peinlich war, und sagte zu ihr: „Evchen, ab morgen bist du die Nutte.“ Was für ein großartiger Satz, oder? Sie wurde mit dem Text nach Hause geschickt, lernte über Nacht die Rolle und sprang ab dem Folgeabend ein. Dabei war sie eigentlich 40 Jahre zu alt für die Rolle.