Hamburger Aufführung ist als erstes deutsches Musical in New York herausgekommen. Die „Rocky“-Premiere im New Yorker Winter Garden Theatre wurde von der dortigen Presse weitestgehend positiv aufgenommen.

Hamburg. Das hat es noch nie gegeben – bislang kamen die Musicals stets vom Broadway nach Hamburg, bei „Rocky“ war es nun umgekehrt. Und der Kulturexport funktioniert. „Wir haben die Herzen der New Yorker Zuschauer im Sturm erobert“, sagte Stephan Jaekel, Sprecher der Hamburger Stage Entertainment Gruppe, nach der New Yorker Premiere. Die Gruppe hatte im November 2012 das Musical „Rocky“ im Hamburger Operettenhaus herausgebracht, wo es inzwischen mehr als 540-mal gezeigt wurde.

Am Donnerstagabend hatte „Rocky“ am Broadway Premiere, in einer identischen Inszenierung von Alex Timbers und in der Choreografie von Steven Hoggett und Kelly Devine. Erstmals ist damit eine deutsche Musical-Produktion nach New York gegangen. Der Hauptdarsteller ist natürlich ein anderer (Andy Karl), schließlich spielt Drew Sarich weiterhin in Hamburg. Aber die Rolle von Rockys Gegner Apollo Creed, die Terence Archie in Hamburg spielte, die hat er nun auch in New York übernommen.

Die „Rocky“-Premiere im New Yorker Winter Garden Theatre wurde von der dortigen Presse weitestgehend positiv aufgenommen. Der Kritiker der „New York Times“ hatte zwar an den ersten zwei Stunden einiges auszusetzen „die Musik ist schwach, der Gesang nicht beeindruckend“, lässt sich dann aber vom Kampf des „underdog Rocky“ gegen den „überdog Apollo“ mitreißen.

Die spektakuläre Schlussszene ist das Highlight der Show — Rocky Balboa fordert den ungeschlagenen Weltmeister Apollo Creed zum „Fight of the Century” heraus. Die Bühne verwandelt sich innerhalb weniger Augenblicke in die legendäre Spectrum-Arena Philadelphias – die Zuschauer werden mit einem Schlag selbst Teil der Bühnenshow. „Das Musical war zuvor schon ein Erfolg in Hamburg (bitte nicht kichern)“, schreibt der „New York Times“-Kritiker, und „der 16-minütige Kampf haut die Zuschauer aus den Socken“.

Die „Washington Post“ nennt Regisseur Alex Timbers „den wahren Herrn der Ringe“ und attestiert der Aufführung „athletischen Schneid und kunstvolle Technik“. Auch für den „Post“-Kritiker sind die letzten 15 Minuten „bei Weitem das Beste an der Show“. Er beschwert sich jedoch über den Trend, „erfolgreiche Filme als Musicals rauszuhauen“.

Die Kritikerin der „New York Post“ ist vom Kampf am Ende des Musicals hingerissen, ärgert sich aber darüber, dass alles, was es davor zu sehen gab, „weniger hinreißend war“. „Aus Sylvester Stallones Geschichte ein Musical zu machen lag nicht unbedingt nahe. Doch ein paar Produzenten haben an diese Idee geglaubt. Zu allem Überfluss kamen sie auch noch aus Deutschland“, schreibt sie. Die Stückeschreiber hätten zu wenig Verständnis von Pep, Seele und fesselnder Musik, befindet sie, aber „am Ende gewinnt Rocky doch. Die Zuschauer schweben aus dem Theater.“

Der Kritiker der „Chicago Tribune“ freut sich über die sympathischen Darsteller von Rocky und Adrian (Margo Seibert). Er glaubt, die Zuschauer würden sich nur an „die letzten Minuten der Aufführung erinnern“, denn bei diesem Kampf, „einer außerordentlich ausgefeilten Verbindung zwischen echtem Boxen und tollen Tricks“, würden dem Publikum fast „die Augen herausfallen“.

Die Zeitschrift „Variety“ ist begeistert über diese „extravagante Produktion“ und ihren „hohen technischen Standard“. Auch das Publikum sei gefesselt gewesen. 16,5 Millionen Dollar habe die Produktion gekostet, aber das Ergebnis sei „jeden Pfennig wert“.

Der Kritiker des „Hollywood Reporter“ stört sich an der Musik, die „keinen bleibenden Eindruck hinterlässt“, dafür sei der Kampf am Ende „berauschend und geht geradewegs in die Eingeweide“. „Rocky scheint der neue Schwergewichtsmeister am Broadway zu sein“, schrieb der „Philadelphia Inquirer“. Die Presse ist sich sicher, „Rocky“ hat viel Broadway-Potenzial. Als deutsches Musical wird es aber nicht wahr genommen. Dafür ist die Geschichte vom kleinen Mann, der hart arbeitet, um seinen großen Traum zu verwirklichen, denn auch allzu uramerikanisch.

„Rocky“, Deutschlands erster Musicalexport nach New York, ist am Broadway von den Zuschauern begeistert gefeiert worden. Vielleicht ist das gar kein Wunder. „Entertainment Weekly“ schreibt: „Am Ende herrschen 15 Minuten pure Spannung. Das hängt vielleicht damit zusammen, dass Zuschauer, die Boxkämpfe mögen, wohl dieselbe DNA wie Theaterzuschauer haben. Beide lieben es, wenn ihre Helden leiden und bluten, am Ende sollten sie aber möglichst wieder aufrecht dastehen.“