Im Malersaal hatte Karin Beiers wunderbar amüsante Inszenierung von „Der Gott des Gemetzels“ jetzt Premiere. Es handelt sich um eine Übernahme aus Köln.

Hamburg Das ist mal wieder ein Theaterabend, den man unbedingt empfehlen muss. Souverän gespielt von vier wunderbaren Schauspielern, leichthändig inszeniert von Karin Beier, kann man sich hier nie unter Niveau über vier wild gewordene Bildungsbürger amüsieren. Die geraten nämlich über den Streit, den ihre elfjährigen Söhne miteinander hatten, ziemlich heftig aneinander, pöbeln, prügeln und pesten herum, dass es wirklich Freude macht, ihnen dabei zuzuschauen, wie Anstand, Moral, Solidarität und gutes Benehmen, ja der ganze Firnis der Zivilisation, von ihnen abfällt.

Sollte Ihnen das jetzt bekannt vorkommen, dann nicht etwa, weil sie im Freundeskreis – und sicher leider unfreiwillig – schon mal dabei waren, wenn sich ein anderes Paar gezofft hat, sondern weil Ihnen Yasmina Rezas Stück „Der Gott des Gemetzels“, vertraut ist, das vor ein paar Jahren und ganz zu Recht, das meistgespielte Stück der Theatersaison war. Auch in Hamburg war es schon mehrfach zu sehen, am St. Pauli Theater beispielsweise oder in der Kinoverfilmung von Roman Polanski.

Nun kommt Karin Beiers schon sechs Jahre alte, aber immer noch taufrische Inszenierung des gehobenen Boulevard-Klassikers in den Malersaal des Schauspielhauses. Sie hat sie aus Köln mitgebracht. Und siehe da, Beier, von der die halbe Stadt nun ehrfürchtig das siebenstündige Griechenspektakel „Die Rasenden“ erwartet, das am 18. Januar im Schauspielhaus Premiere haben wird, kann auch flirrend leichte, komische und ganz und gar unanstrengende Kunst auf die Bühne bringen. Natürlich ist das auch den vier hinreißenden Schauspielern zu verdanken.

Maria Schrader spielt Véronique, eine Schriftstellerin, die sich für Darfur und die Zivilisation von Saaba engagiert, eine penetrante moralische Nervensäge. Ein Gutmensch im hoffnungsfrohen grünen Kleid, sie weiß immer, was richtig ist. „Ich will auch humorlos sein“, brüllt sie, als das Zusammentreffen mit dem anderen Ehepaar schon eskaliert ist. Véroniques Ehemann Michel wird von Michael Wittenborn als zunächst harmloser Besitzer eines Haushaltswarenladens gespielt, der seine Frau mit „hol mal Kaffee“ herumkommandiert. Solche Typen gibt es viele, Wittenborn zeigt aber im Laufe des anderthalbstündigen Abends doch, was für ein Choleriker in ihm steckt, ein Menschenverächter, der seine Frau unerträglich findet. Die wiederum leidet unter ihm „weil er sich für nichts, gar nichts interessiert“.

Rezas Stück liegt die Idee zugrunde, dass zwei Elternpaare zwischen ihren prügelnden Söhnen vermitteln und Frieden stiften wollen. Ein Kind hat dem Kind des anderen Paares zwei Zähne ausgeschlagen. „Zum Glück gibt es noch die Kunst des zivilisierten Umgangs miteinander“, sagt Véronique zu Beginn, als man die Sache noch über die Versicherung und eine Entschuldigung regeln will. Aber denkste. Ein falsches Wort und alles läuft aus dem Ruder. Ade Zivilisation, willkommen Zoff. Es wird gekotzt, gekreischt und gekämpft – wüst und mit Worten als Waffen. Dabei wollte man nur, wie in bürgerlichen Kreisen üblich, „ein gutes Gespräch“, führen. Übrig bleibt ein Geschwätz-Gemetzel. Jeder kämpft gegen jeden. Nichts zählt mehr, weder die Identifikation mit dem Ehepartner noch die Solidarität mit dem Geschlecht.

Das zweite Paar gibt sich anfangs großbürgerlich, er ist Anwalt, sie Vermögensberaterin. Anja Laïs spielt diese Annette im weißen Anzug mit betont süffisanter Verachtung und abfälligen Blicken, lächelt, macht Yoga-Übungen. Der Versöhnungskuchen schlägt ihr wohl auf den Magen, sie übergibt sich. Mal auf Véroniques kostbare Kunstbücher, mal auf den Boden, dann auf das Hemd ihres Mannes Alain. Wo nimmt sie das alles her? Michel wischt. Und föhnt. Annette zerreißt später auch noch den Tulpenstrauß, aber da haben alle auch schon eine Menge Rum intus, das Wohnzimmer und beide Ehen sind verwüstet. Markus Johns Alain ist der Anwalt, der einen Vernichtungskrieg mit Worten führen kann. Es sei denn, sein Handy klingelt mal wieder. Er sieht sich als John-Wayne-Typ, Macker und Macho und kann Véronique dann auch mal anschreien: „Wir Männer mögen keine Frauen, die Recht haben wollen. Wir wollen Sinnlichkeit, Hormone.“ Als Annette sein Handy in der Blumenvase versenkt und sagt „Männer hängen so dermaßen an ihrem Zubehör“, winselt er allerdings auch ganz schön herum.

Ein ziemlich perfekter Abend, kurzweilig und brillant gespielt. Hingehen! Das Stück wird nur selten gespielt.

„Der Gott des Gemetzels“

Malersaal, 31. 12., 17 und 21 Uhr