Auf Kampnagel treffen sich vom 5. bis 13. Dezember Performer, Choreografen und Musiker aus Schweden, Norwegen, Island, Estland, Lettland und Finnland.

Kampnagel. Aus dem hohen Norden kennen wir elfenhafte Klänge, aber auch verwunschene fantasievolle Performance- und Tanzabende. Schön gebündelt lässt sich das bei einem eigenen geografischen Festivalschwerpunkt erfahren. Beim „Nordwind-Festival nordischer und baltischer Künste“ auf Kampnagel. Das Festival, das die künstlerische Leiterin Ricarda Ciontos 2006 in Berlin ins Leben gerufen hat, beglückte uns vor zwei Jahren mit einem Ableger in Hamburg. In diesem Jahr kam als dritte Station Dresden dazu.

Ein besserer Monat als der Dezember ließe sich für ein derartiges Festival in Hamburg kaum finden – wenn draußen langsam klirrende Kälte um sich greift und Melancholie sich heranschleicht. Vom 5. bis 13. Dezember versammeln sich erneut Performer, Choreografen und Musiker aus Schweden, Norwegen, Dänemark, Island, Estland, Lettland und Finnland auf Kampnagel. Am Eröffnungsabend wird Mette Ingvartsen ihr bildgewaltiges neues Werk „The Artificial Nature Project“ (5.12., 20 Uhr, 6.12., 21 Uhr) präsentieren. Erneut beschäftigt sich die dänische Choreografin darin mit Gedanken zu Phänomenen der Natur. Entsprechend kreiert sie eine Landschaft, in der sich Szenen der Ruhe und voller Energie abwechseln.

Ebenfalls zum Auftakt zeigt The Nielsen Movement aus Kopenhagen „Die Europäischen Medien. Ein Schauprozess“ (5./6.12., jew. 20 Uhr). Dahinter verbirgt sich die geschlechtslose Figur Nielsen, die sich jeder weiteren Zuordnung entzieht. Sieben Schauspieler verkörpern in dem globalisierungskritischen Abend die Mächte China, Google, Rupert Murdoch, außerdem einen Terroristen, einen afrikanischen Flüchtling und einen minderjährigen thailändischen Sexarbeiter.

An der Grenze zum Musiktheater bewegt sich die schwedische Allround-Künstlerin Charlotte Engelkes, die in der Ära Stromberg häufig am Schauspielhaus zu sehen war. In „All Is Divine“ (7./8.12., jew. 20.30 Uhr) setzt sie sich persönlich ins Verhältnis zum Wagner-Mythos. Großes, bildgewaltiges Tanztheater verspricht auch das neue Spektakel zu werden, das die isländische Choreografin Erna Omarsdóttir gemeinsam mit dem französisch-belgischen Tänzer Damien Jalet, der Biennale-Künstlerin Gabríela Fridriksdóttir und der Iceland Dance Company kreiert hat. Omarsdóttirs Bildwelten bevölkern Monster, künstliche Körperflüssigkeiten und harsche Drone-Metal-Musik. In „Transaquania – Into Thin Air“ (10./11.12., jew. 20 Uhr) tritt Omarsdóttir erstmals nicht persönlich auf. Die Show, in der sich große Gruppenchoreografien mit zarten und intimen Momenten abwechseln, dreht sich um das Zusammenwirken von Chemie und Körper in den evolutionären Prozessen der mystischen Blauen Lagune nahe Reykjavik.

Zu entdecken gibt es auch vielversprechende Talente. Zum Beispiel die in Berlin lebende junge isländische Performerin Margrét Sara Guojónsdóttir und ihr Projekt „Variations On Closer“ (10./11.12., jew. 19 Uhr). Darin erforschen drei Tänzerinnen das Phänomen des Zuschauerblicks und sein Spektrum von Empathie, Anziehung, Intimität bis zu Entfremdung. Ein wahrer Geheimtipp ist auch das finnische Performertrio Oblivia. In ihrem dreiteiligen Werk „Entertainment Island 1, 2 & 3“ (12./13.12., jew. 19.30 Uhr) verbinden sie Elemente aus Musik, Tanz und Textarbeit zu einem faszinierenden Minimalismus. Ebenfalls hoch gehandelt wird der finnische Performer Juha Valkeapää. Mit einer eigenwillig zurückhaltenden Art, gleichwohl starker Bühnenpräsenz erzählt er in „Executed Stories, Light Version“ (7./8.12., 19 Uhr) Geschichten von scheinbarer Nebensächlichkeit und absurdem Humor.

Das hochkarätige Musikprogramm hat mit der in Berlin lebenden Dänin Agnes Obel (12.12., 21 Uhr) einen echten Popstar zu bieten. Nach ihrem Erfolgsdebüt „Philharmonics“ stellt sie nun den Nachfolger „Aventine“ mit seinen intimen Piano-Balladen vor. Sehens- und hörenswert auch die sanften, Soul inspirierten Folk-Klänge des Norwegers Thomas Dybdahl (5.12., 21.30 Uhr) und die raffinierte Fusion aus New Wave, Disco und Elektronik, mit der die Norwegerin Sandra Kolstad zum winterlichen Tanz lädt. Das Rahmenprogramm des Festivals kann sich ebenfalls sehen lassen. „Todes-Poker“ ist nur einer der berüchtigten Höhepunkte, die zu später Stunde im Moody Moon Club in der Music Hall zu erleben sind.

„Nordwind-Festival nordischer und baltischer Künste“ 5. bis 13.12., Kampnagel (Bus 172, 173), Jarrestraße 20-24, Karten unter T. 27 09 49 49; www.kampnagel.de