Kurze Wege, laute Bands: Die Premiere des „Metal Hammer Paradise“ am Weißenhäuser Strand war ein Erfolg. Es spielten In Extremo, Saxon, Lacuna Coil, Anvil, Behemoth und viele mehr.

Weissenhäuser Strand „Papa, was sind das für Leute?“ Der Steppke, acht mag er sein, wüsste schon zu gern, was es mit all den schwarz gekleideten, oft Langhaarigen, auf sich hat, die durch die Ferienanlage Weissenhäuser Strand strömen. Sein Vater überlegt kurz, dann: „Die mögen laute Musik, die wollen hier feiern.“ Gut zusammengefasst.

Dass die 2500 Metalheads, die zur „Metal Hammer Paradise“-Premiere an die Ostsee gekommen sind, trotz all der martialischen T-Shirts voll düsterer Dämonen und abgehackter Zombie-Schädel, ausgesprochen harmlos sind, muss er nicht extra betonen. Ein Blick in die Gesichter spricht Bände: Man lächelt sich an, grüßt einander mit einem herzhaften „Moin!“ und freut sich einfach auf ein Metal-Wochenende an einem ungewöhnlichen Ort.

Statt enger Zelte gibt’s geräumige Appartements oder Hotelzimmer, statt Ravioli aus der Dose opulentes Frühstücksbüfett und Restaurants, die bis in die tiefste Nacht à la carte servieren. Natürlich hat der Luxus mit 129 bis 299 Euro pro Person seinen Preis, aber dieses Zwei-Tage-Festival richtet sich auch nicht an metalbegeisterte Schüler, die sich den Eintritt vom Taschengeld zusammensparen müssten, sondern an die finanzkräftigere Ü30-Fraktion, die sich ihre Leidenschaft gerne mal was kosten lässt. Nicht umsonst tragen viele hier Shirts vergangener Hochpreis-Veranstaltungen wie „Full Metal Cruise“ oder „70.000 Tons Of Metal“ – kostenintensive Kreuzfahrten mit Partygarantie.

Eine gute Stunde muss an der Rezeption warten, wer am Freitagnachmittag eincheckt, doch das regt niemanden wirklich auf. Man ist tiefenentspannt, öffnet schon mal ein Bierchen und bestaunt die mit Aufnähern übersäte Jeanskutte des Nebenmanns. Überhaupt: Die Kutte ist wieder da! Ein echtes Revival des lange als gestrig und prollig denunzierten Metal-Statussymbols, das in den 80ern noch Pflicht war und dann verschwand.

Schon länger wieder angesagt und am Weissenhäuser Strand einer der großen Gewinner: der vom Sound der späten 60er und frühen 70er beeinflusste Retro-Hardrock. Ob The Answer, Grand Magus, Kadavar oder Orchid: Die Erben von Led Zeppelin, The Who und MC 5 sind laut, wild, selbstbewusst. Der ganz heiße Scheiß, der es in diesem Jahr zwar noch nicht auf die größte der drei Bühnen geschafft hat – aber die Zukunft gehört diesen Gestrigen. Garantiert. Auf der „Maximum Metal Stage“ sorgen indes Headliner wie Saxon, In Extremo oder Helloween für ausgelassene Stimmung, die auch in Wacken Stammgäste sind.

Wer damit nichts anfangen kann, wandert flugs in den „Baltic Ballroom“ weiter und lässt sich von Lacuna Coils glutäugiger Frontfrau Cristina Scabbia bezirzen. Oder freut sich im kleinen Riff Rondell über die deutsche Metalcore-Truppe Deadlock, die mit ihrer Brachialversion von Bronski Beats „Small Town Boy“ ein donnerndes Statement gegen Schwulenfeindlichkeit abgibt.

Die Auswahl ist groß, die Wege sind kurz. Langeweile kommt da nie auf, Gedränge gibt es nirgendwo, die Ordner sind so freundlich wie das Publikum, die Bands – viele übernachten selbst auf dem Gelände – stoßen mit ihren Fans an. Und wenn der letzte Ton gespielt ist, gibt’s immer noch die After-Show-Party mit Metal-Karaoke oder den eigens eingerichteten Metal-Fernsehkanal, auf dem rund um die Uhr gesendet wird.

Der Edeka auf dem Areal macht ein gutes Geschäft, Bier und Brötchen gehen halt immer. Die Boutique Katinka nebenan hätte wohl ihr Angebot thematisch erweitern müssen. An Schals und Blusen in Pastellfarben ist hier niemand interessiert. Mit Nietengürteln, Patronengurten und Band-T-Shirts wäre hingegen ein Umsatzrekord drin gewesen. So versorgen sich die 2500 vor allem am offiziellen Merchandise-Stand, wo etwa nach dem furiosen Auftritt der polnischen Black-Death-Metaller Behemoth (Feuer! Nebel! Konfetti! Irre Lautstärke!) die 40 Euro teuren Kapuzenpullover in Windeseile ausverkauft sind.

Nach zwei Festivaltagen herrscht allgemeine Zufriedenheit – auch beim Veranstalter, der zwar ein Minus eingefahren hat, aber optimistisch sein darf, dass sein Konzept mittelfristig aufgeht und vielleicht schon im nächsten Jahr schwarze Zahlen schreibt. Platz ist jedenfalls für 4500 Besucher und das Angebot verführerisch. Konzerte von knapp 30 Bands, zwischendurch auf die Bowlingbahn oder ins Dünenbad, alles mit der Option, den mit angereisten Nachwuchs für ein paar Stunden beim vorab buchbaren Babysitter oder im hiesigen Kids Club zu parken: So entspannt kann Heavy Metal sein.

Der Vorverkauf für das nächste „Metal Hammer Paradise“ am 14./15..11.2014 hat begonnen. Karten: www.metal-hammer-paradise.de