Die Gremien des Zweiten sollen zu stark von Parteien und Landesregierungen beeinflusst sein. Das Bundesverfassungsgericht soll ein wegweisendes Urteil zu den Öffentlich-Rechtlichen sprechen.

Karlsruhe. „Mit dem Zweiten sieht man besser“, lautet die Eigenwerbung des öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders ZDF. Was die Zuschauer zu sehen bekommen, wird nach Auffassung der Bundesländer Rheinland-Pfalz und Hamburg allerdings zu sehr von Staat und Politik beeinflusst, weil deren Vertreter den Fernseh- und Verwaltungsrat des ZDF dominieren. Im Jahr 2010 reichten die beiden Länder deshalb Klage ein. Ab Dienstag nun prüfen die Karlsruher Verfassungshüter, ob der Staatsvertrag, der die Besetzung der ZDF-Gremien regelt, geändert werden muss.

Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits 1961 geurteilt, dass Fernsehen in ausschließlich staatlicher Hand nicht zulässig sei. Es untersagte damals das Vorhaben von Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU), einen dem Bund zu 100 Prozent gehörenden TV-Sender zu gründen: Rundfunkanstalten seien nur zulässig, wenn sie „dem staatlichen Einfluss entzogen oder höchstens einer beschränkten staatlichen Rechtsaufsicht unterworfen“ sind, hieß es damals.

Zwei Jahre später wurde das ZDF gegründet. Doch glaubt man den Klägern, ist der Staat im Mainzer Sender heute beklemmend mächtig: Anlass der nun zu verhandelnden Klage des damaligen ZDF-Verwaltungsratsvorsitzenden Kurt Beck (SPD) war die von Unionsmitgliedern im Rat betriebene Ablösung des ZDF-Chefredakteurs Klaus Brender im März 2010.

Beck zufolge soll das Gericht nun „die Frage der Quantität und Einflussintensität“ von Politikern in den ZDF-Gremien prüfen. Laut einer Stellungnahme des Deutschen Journalisten Verbands (DJV) für das Gericht ist beides enorm: die Zahl der Staatsvertreter und deren Einflussmöglichkeiten im 14-köpfigen Verwaltungsrat und im 77-köpfigen Fernsehrat.

Im ZDF-Verwaltungsrat, der die Geschäftsführung des Intendanten überwacht, hat die Politik nach Klägeransicht schon allein deshalb das Sagen, weil bereits sechs seiner 14 Mitglieder unmittelbare Staatsvertreter sind und weitere vom Fernsehrat bestimmte Mitglieder Staats- oder Parteifunktionen innehaben.

Nicht besser sehe es im Fernsehrat aus. Er ist zuständig für Programmrichtlinien und wählt zudem den Intendanten mit einer Mehrheit von 60 Prozent seiner Mitglieder. Die Staats- und Parteienvertreter haben damit eine Sperrminorität. Sie sind nach Zählung des DJV zu mehr als 50 Prozent im Fernsehrat vertreten, weil auch staatsnahe Mitglieder wie etwa Vertreter von Kommunalverbänden zu ihrem Lager gezählt werden müssten.

Das ZDF sowie die Länder Bayern, Hessen, das Saarland und Sachsen wehren sich allerdings gegen ein schematisches Zusammenrechnen der Staatsvertreter. Ihrer Auffassung nach unterliegt der Einfluss der Politik im Sender vielen „Brechungen“. Sie argumentieren etwa, dass die Interessen der Länder nicht immer deckungsgleich mit jenen der Parteienvertreter seien. Ob das Gericht dem folgt oder ob es eine maximale „Staatsquote“ für die ZDF-Kontrollgremien festlegen wird, das ist die spannende Frage des Verfahrens.

In einem Urteil von 1991 billigte Karlsruhe den Gremien des Westdeutschen Rundfunks eine Staatsquote von rund einem Drittel zu. Gut möglich, dass sich die Richter nun auch im Fall des ZDF für solch eine Quote entscheiden könnten und dabei auch auf ihr Rundfunkurteil von 1994 verweisen. Dort heißt es, dass nur ein freier Rundfunk die Bürger „frei, umfassend und wahrheitsgemäß“ informieren kann. Eine „Indienstnahme des Rundfunks“ durch den Staat sei damit unvereinbar. Für Nikolaus Brender wäre solch ein Urteil eine späte Genugtuung.