Die Komödie Winterhuder Fährhaus feiert am Freitag sein 25-jähriges Bestehen. Herbert Herrmann war von Anfang an dabei und erinnert sich an eine „aufregende Zeit“.

Hamburg Keinen anderen Beruf könne er sich vorstellen, sagt Michael Lang, ohne lange darüber nachzudenken. Gesegnet ist, wer das so überzeugt (und überzeugend) von sich behaupten kann. Keinen Beruf, ergänzt Lang, als einen „in dem man so eng an der Kunst ist, in unmittelbarem Kontakt mit dem künstlerischen Geschehen“. Seit 15 Jahren ist Michael Lang, als Nachfolger des legendären Rolf Mares, Intendant an der Komödie Winterhuder Fährhaus, Hamburgs ebenso erfolgreichem wie vielseitigem Boulevardtheater. Und er verantwortet damit bereits mehr als die Hälfte des Bestehens dieses Hauses: Das Winterhuder Fährhaus feiert an diesem Freitag seinen 25. Geburtstag – und damit ein Vierteljahrhundert Hamburger Theatergeschichte.

Knapp fünf Millionen Zuschauer und derzeit 10.000 Abonnenten sprechen eine deutliche Sprache. Bis heute kommt das Haus – jedenfalls für die große Bühne – ohne staatliche Förderung aus. Machbar ist das allein durch die konstant gute Auslastung. Und die ist auch eng verbunden mit den Namen zweier Schauspieler: Herbert Herrmann und seine Partnerin Nora von Collande. In der Komödie „Vier linke Hände“ traten sie Seite an Seite bereits zum 20-jährigen Jubiläum auf. Für Herrmann war dies die 15. Produktion am Haus, seine allererste Vorstellung fällt bereits ins Gründungsjahr des Hauses an der Alster. In der Regie von Wolfgang Spier stand Herrmann damals in der Komödie „Micky Maus und Einstein“ auf der Bühne.

„Das war eine aufregende Zeit“, erinnert sich der heute 72-Jährige. „Schön, dass ich hier in so vielen Inszenierungen mitwirken konnte. Wir Schauspieler brauchen ja Theater. Es ist schön, dass das so gut funktioniert hat.“ Neben ihm schärften Publikumslieblinge wie Edith Hancke, Evelyn Hamann, Harald Juhnke, Walter Plathe oder Volker Lechtenbrink, der auch in der Jubiläumsproduktion „Der Mentor“ zu sehen sein wird, das Profil des Hauses. Häufig wurden Ehekomödien wie „Der Mustergatte“ belegt mit dem etwas klebrigen Label des Boulevard. Dazu verleitet auch das eigenwillige Logo mit dem netzbestrumpften „K“, eine Entwicklung des Hamburger Grafikers Holger Matthies, die mit den Beinen eines Harlekins an die gleichnamige Possenreißer-Figur aus der Commedia dell’Arte der Renaissance erinnert.

Mit dem Begriff „Boulevard“ hat Herrmann bis heute Probleme. „Das wird meist missverstanden. Die Form gibt es ja so gar nicht. Komödien sind bis heute nicht wirklich akzeptiert. Ich arbeite ein Jahr lang an einem Stück und stecke mit meinem Team alles hinein“, so Herrmann. „Menschen zum Lachen zu bringen ist auch eine Kunst.“ Intendant Lang sieht das genauso. Mit der Einordnung „Boulevard-Theater“ allerdings hat er keine Berührungsängste: „Wer Unterhaltung sucht, der findet sie bei uns auch.“

Die Kunstform der Unterhaltung folgt ohnehin ihren eigenen Gesetzen. Tempo und Timing müssen stimmen, die Türen zur rechten Zeit auf und zu gehen, die Pointen sitzen, Emotionen richtig dosiert werden. Aber aus einem faden Text kitzelt kein noch so begabter Regisseur euphorische Lacher heraus. Ein Problem, das sich in den unzähligen Aufführungen von Stücken wie „Die Kaktusblüte“, „Barfuß im Park“, aber auch in den gezeigten Klassikern von Molière bis Shakespeare nicht stellte. Trotzdem ist das Leichte bis heute manchmal das Schwerste.

Die Ursprünge der Komödie Winterhuder Fährhaus reichen zurück bis in das Jahr 1854. Damals errichtete in unmittelbarer Nähe der Kirche St. Johannes der Kohlenhändler Jacobs ein Ausflugslokal. Um 1890 verwandelte es sich in einen Saalbau im Jugendstil, bis 1979 war es ein beliebtes Ausflugs- und Tanzlokal. 1987 taten sich Bauherr Uwe Springer und der Berliner Theaterdirektor Jürgen Wölffer, der die Komödie am Kurfürstendamm leitete, zusammen und kreierten aus dem als Veranstaltungszentrum geplanten Neubau ihr Theater. Dort hob sich der Vorhang am 2. September 1988 zum ersten Mal mit dem Stück „Stürmische Überfahrt“ von Tom Stoppard in der Regie von Jürgen Wölffer, bei dem ein Team um Elisabeth Volkmann und Wolfgang Spier auf schwankenden Planken in Schräglage geriet. Mit gleich vier Premierenvorstellungen wurde damals unter dem ersten Theaterleiter Rolf Mares gefeiert. Bis zu neun Eigenproduktionen und Gastspiele jährlich folgten. 1999 übernahm Lang, nach einem Jahr Einarbeitung unter Mares, die Intendanz. Bis heute bleibt er programmatisch der Linie gehobener Unterhaltungskunst treu. Und kann sich so mittlerweile auch eine ambitionierte Reihe leisten.

Unorthodoxe, subversive, auch mal rabenschwarze Stoffe zeigt die Komödie seit 2001 im kleinen Saal des Hauses, im Theater Kontraste des gleichnamigen Vereins, der künstlerisch wie wirtschaftlich eigenständig ist. Kammerspiele wie Sibylle Bergs „Hund, Frau, Mann“ oder das regelmäßig ausverkaufte „Frau Müller muss weg“ überzeugten die Kritik und kamen auch beim Publikum gut an. 2004 gab es dafür den mit 35.000 Euro dotierten Pegasus Preis für Privattheater. „Auf der großen Bühne wäre das Risiko solcher Produktionen oft zu groß“, weiß Lang. Das Theater Kontraste bleibt mit 99 Plätzen ein Zuschussbetrieb, 90.000 Euro gibt es jährlich von der Kulturbehörde.

Es ist auch diese Vielseitigkeit, die dem Theater der Familie Wölffer sein in der Hamburger Bühnenlandschaft herausragendes Format verleiht. „Gepflegte Unterhaltung mit Niveau“ nennt Lang das. Für ihn gehört das alles zusammen, das Kontraste-Programm, die Kleinkunst, die Familienstücke und, natürlich, das Herzstück: das Boulevard.

Herbert Herrmann genießt das besondere Glück, an der Komödie zu spielen, bis heute – auch wenn er jetzt eine Pause einlegen und nach Neil Simons „Das zweite Kapitel“ im vergangenen Frühjahr erst in zwei Jahren ein neues Stück präsentieren will. Die Bühne bleibt sein Zuhause: „Im Fernsehen wird ja fast nur noch geblödelt. Wer einen Witz in einer Talkshow erzählt, hat am nächsten Tag eine eigene Show“, so Herrmann. „Ich glaube, die Leute wollen sich wieder stärker im Theater verzaubern lassen, denn das ist es ja, was wir wollen.“

Festaufführung „Der Mentor“ ab 20.9., 19.30, Komödie Winterhuder Fährhaus, Hudtwalckerstr.13