Volker Lechtenbrink zählt zu den bekanntesten deutschen Schauspielern. In Daniel Kehlmanns Theaterstück „Der Mentor“ spielt er ab Freitag im Winterhuder Fährhaus die Hauptrolle.

Hamburg. Vor kurzem feierte Volker Lechtenbrink seinen 69 Geburtstag. Der Schauspieler, Sänger, Regisseur und ehemalige Intendant des Ernst Deutsch Theaters blickt auf ein pralles Leben zurück. Ein Gespräch über den Zusammenhang zwischen Nachmittagsvorstellungen und Werder Bremen, Peer Steinbrück und warum sich Johanniter nur das Beste wünschen.

Hamburger Abendblatt: Volker Lechtenbrink, Sie stecken mitten in den Proben zu „Der Mentor“. Worin liegt für Sie der besondere Reiz des Stückes?

Volker Lechtenbrink: Es ist ein intelligentes Stück mit sehr klugen Dialogen und einer ganz feinen Ironie, die man sehr behutsam herausarbeiten muss. Es hat unterschiedliche Ebenen. Man weiß nicht immer genau, ist das nun die Geschichte, die wirklich so passiert ist oder ist das jetzt alles vielleicht doch nur Fiktion? Das Stück ist von Daniel Kehlmann, und das sagt ja schon einiges.

Sind Sie ein Mensch, der zur Ironie neigt?

Lechtenbrink: Ja, sehr sogar. Ich bin auch ein selbstironischer Mensch. Es macht mir Spaß, mich nicht so ernst zu nehmen und mich ein bisschen in Frage zu stellen. Die nächste Stufe wäre der Zynismus und die übernächste der Sarkasmus. Das mag für manche Menschen passen. Ich finde, die eleganteste Form ist die Ironie.

Ein Mentor ist jemand, der einen unterstützt, zu dem man aufblickt, jemand, der etwas erreicht hat und so für einen selbst ein Vorbild geworden ist. Sind Sie ein Mentor ?

Lechtenbrink: Als Schauspieler ist für mich das Spannende an dieser Rolle, dass mein Mentor kein typischer Mentor ist. Meiner hat Ecken und Kanten, die sehr gewöhnungsbedürftig sind, und darin liegt der hohe Reiz dieser Figur. Als Regisseur, wie kürzlich in Bad Hersfeld bei der Inszenierung der „Drei Musketiere“, bin ich sicherlich ein Mentor. Dort behüte und beschütze ich meine Schauspieler und versuche, das Bestmögliche aus ihnen herauszuholen. Es geht mir nicht darum, sie in alle Bestandteile zu zerlegen, und sie dann wieder zusammenzusetzen, sondern ihnen zu sagen, du kannst das und ich helfe dir dabei!

51 Aufführungen liegen bis zum 10. November vor Ihnen. Ein ganz schöner Brocken?

Lechtenbrink: Jeden Abend Vorstellung, nur montags ist frei. Montags nennen wir Künstlersonntag, da wir ja nie einen Sonntag haben. Samstags gibt es zudem Doppelvorstellungen. Das Schlimme dabei: Die Nachmittagsvorstellung liegt für mich als doch sehr großem Fußballfreund extrem schlecht, weil ja um halb vier die Bundesliga anfängt. Ich bin Werder Bremen-Fan. Ich habe die ersten sieben Jahre meines Lebens in Bremen verbracht, und da war ich als kleiner Buttje mit meinem Vater so oft es ging bei „Werder“. Das ist so drin in mir, dass ich wahrscheinlich auch immer Werder Bremen-Freund bleiben werde. Aber der Fußball ist das Eine, das Andere ist die Bundestagswahl.

Inwiefern?

Lechtenbrink: Die Premiere ist zwei Tage vor der Wahl. Für mich und die Kollegen ist es schade, dass wir am 22. September um 18 Uhr unser Stück beginnen. Um diese Zeit kommen bekanntlich die ersten Hochrechnungen...

Dann müssen Sie die Hochrechnungen irgendwie in das Stück einbauen?

Lechtenbrink: Da müssen wir mal schauen, ob wir nach zwei Tagen schon so souverän sind, dass wir das können. Ich bin gespannt, wie die Wahl ausgehen wird, zumal ich mit dem Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück zur Schule, auf das Johanneum in Hamburg, gegangen bin.

Gemeinsam in eine Klasse?

Lechtenbrink: Nein, er ist jünger und war zwei Klassen unter mir. Später dann sogar vier, weil er, wie er ja selbst gern erzählt, zwei „Ehrenrunden“ drehen musste.

Haben Sie sich mit Peer Steinbrück gut verstanden?

Lechtenbrink: Naja, wir waren damals nun nicht gerade die dicksten Kumpels. Wir waren einfach zusammen auf der Schule und man kennt sich aus jener Zeit. Man ist irgendwo stolz oder sagen wir mal, man ist irgendwie froh, dass man auf dieser Schule war, weil das humanistische Gymnasium eine gute Ausbildungsstätte war.

Wer weiß, vielleicht können Sie nach dem Wahlsonntag stolz sagen, Sie hätten mit dem neuen Bundeskanzler gemeinsam die Schule besucht?

Lechtenbrink: Und trotzdem verrate ich Ihnen nicht, was ich wählen werde. Wie viele denke ich, das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Man wird, glaube ich, bis zuletzt unter Spannung gehalten, und man hat auch früher schon viele Überraschungen erlebt nach allen möglichen Koalitionsverhandlungen. Und außerdem: Johanniter wünschen sich gegenseitig immer nur das Beste.

Frage an den Fachmann: Wer ist der bessere Schauspieler? Merkel oder Steinbrück?

Lechtenbrink: Sie sind beide keine Schauspieler. Da gibt es wirklich noch ganz andere in der Politik. Aber die beiden sind auf ihre Art und Weise bravourös und authentisch. Sie haben den Wahlkampf, auf jeden Fall bis jetzt, sehr anständig über die Bühne gebracht. Sie verhalten sich sehr respektvoll einander gegenüber.

Würde es Sie in die Politik ziehen? Zum Beispiel als Hamburger Kultursenator?

Lechtenbrink: Nein. Das ist weit, weit weg. Erstens macht unsere jetzige Senatorin Barbara Kisseler, die unsere Premiere am Freitag besuchen wird, einen guten Job. Und außerdem bin ich schon Alster-Schleusenwärter. Man erhält diese Auszeichnung ja mit der Begründung, dass man das Ansehen der Hansestadt Hamburg in der Welt vermehrt hat. Das ist doch schon mal eine tolle Sache. So wie auch der Rolf-Mares Preis, den ich gewonnen habe, eine Anerkennung meiner Arbeit ist. Ich finde, man muss durch gute Arbeit zeigen, für wie wichtig man seinen Beruf hält und damit auch den Stellenwert der Kulturszene in Hamburg. Das ist sozusagen mein politischer Beitrag.

Die Theaterszene sieht sich vielen konkurrierenden visuellen Medien, wie Fernsehen und Internet ausgesetzt. Geht das Theater irgendwann mal vor die Hunde?

Lechtenbrink: Nein. Theater hat es immer gegeben und wird es immer geben. Der direkte Kontakt zum Publikum ist durch nichts zu ersetzen. Dieses direkte Erlebnis von Mensch zu Mensch ist mit nichts zu vergleichen, mit keinem Kino, Fernsehen oder Internet. Ich glaube ganz fest ans Theater. Man hat natürlich schwerer zu kämpfen, das ist klar, denn die Möglichkeiten des Menschen, sich zu entscheiden, was mache ich heute Abend, die werden ja immer vielfältiger. Aber ich glaube, es wird immer Menschen geben, die sich abends für das Theater entscheiden.

Sie gehen auf die 70 zu, haben Sie Angst vor dem Älterwerden?

Lechtenbrink: Ich wurde vor ein paar Wochen 69. Also die sieben ist schon eine Zahl, die mich beeindruckt. Das muss ich sagen. Als es auf die sechs zuging, da habe ich das noch etwas lockerer gesehen. Ich habe mich jedenfalls entschlossen diese sieben als Kompliment zu nehmen, nach dem Motto, he, guck’ mal, ich habe es geschafft, dass da eine sieben steht!

Zählen Sie zu den Künstlern, die irgendwann auf der Bühne tot umfallen möchten oder träumen Sie eher von einem schönen Altersruhesitz am Meer?

Lechtenbrink: Am liebsten von einem Ruhesitz am Meer – ohne umzufallen.

Welchen Titel hätte Ihr Leben, wenn es ein Theaterstück wäre?

Lechtenbrink: Es gibt diesen berühmten Monolog von Jacques aus „Wie es Euch gefällt“ von Shakespeare: „Die ganze Welt ist eine Bühne und alle Frauen und Männer bloße Spieler. Sie treten auf und gehen wieder ab.“ Und das sagt eigentlich alles über unser Leben.