Vier Tage wach: 350 Bands aus 30 Nationen spielen beim Reeperbahnfestival 2013 vom 25. bis zum 28.September in den Clubs und auf den Bühnen rund um Reeperbahn und Feldstraße.

Das Reeperbahn Festival hat es seinen Besuchern noch nie leicht gemacht. So viele Bands, so viele Clubs, und das – so war es in den Jahren zwischen 2006 und 2012 – drei Tage und Nächte lang. Und hatte man sich einen mühevoll kuratierten Ablauf zurechtgelegt, um auch ja keinen der interessantesten Geheimtipps und „Mussu sehen!“-Künstler zu verpassen, da genügte ein übervoller Saal, speziell Molotow und Prinzenbar, und schon landete man notgedrungen in Angie’s Nightclub und erlebte eine Sängerin, die einen nicht die klassischen zehn „Mal kurz reinschauen“-Minuten lang gefangen nahm, sondern gleich eine Stunde. Die Reeperbahn-Festival-App, die auf die in Kürze beginnenden nächsten Auftritte hinwies, konnte einen gernhaben. Lieber noch ein paar Worte mit der Sängerin (nennen wir sie mal Olivia Pedroli) wechseln, und schon war die nächste Stunde futsch.

Gelegenheiten, seine Zeit zu planen und doch wieder – ohne Verlust und mit viel Gewinn – zu verschwenden, gibt es auf der diesjährigen Musikmeile mehr denn je. Durch mehr als 3000 Bands haben sich die Booker ein Jahr lang geflöht, um gut 350 der vielversprechendsten Bewerber in das dicke Programmheft aufzunehmen. Dafür wurde das Festival um einen Tag verlängert und erobert vom 25. September bis zum 28. September St. Pauli. Und wie immer gibt es dabei keine Grenzen zwischen Nationen und Stilen. Von Argentinien bis USA, von Island bis Israel reicht der lange Arm des Reeperbahnf Festivals, 30 Länder schicken ihre Newcomer.

Mit dabei ist zum Beispiel Sänger und Songschreiber Benjamin (27.9., 21 Uhr, Imperial Theater) von den Färöer Inseln, der die traditionell experimentierfreudige Färöer Popszene mit innovativen Klangspielen zwischen Folk und Electro bereichert. Sein isländisches Pendant ist Ásgeir Trausti (26.9., 21 Uhr, Imperial Theater), der sich mit seinem ersten Album „Dýrð í dauðaþögn“ (2012) sofort in der Spitzengruppe der an großartigen Künstlern wahrlich nicht armen Szene der Insel etablierte.

Doch man muss nicht nur an der Zukunft des Pop schrauben, um etwas zu bewegen, es reicht auch mal der Blick zurück. So wie beim Showcase des fantastischen Powertrios The Balconies (27.9., 20.50 Uhr, Hörsaal) aus Ottawa. Bereits im vergangenen März eröffneten die Kanadier für die Rival Sons im Mojo Club und begeisterten mit kraftvollem Retro-Rock zwischen Led Zeppelin und Blondie, wobei die Aufmerksamkeit besonders Sängerin Jacquie Neville auf sich zog, die sich wirklich sehen und hören lassen kann.

Der Mojo Club nebst Jazz Café unter den tanzenden Türmen feiert übrigens dieses Jahr seine Festival-Premiere: Dort kann die Warm-up-Party mit Master Quest und Skar (25.9., 22.30 Uhr) begangen oder Hamburgs neue Soul-Queen Y’akoto (28.9., 23 Uhr) bestaunt werden. Y’akoto gehört natürlich schon zu den bekannteren Namen im Programm, ebenso die Londoner Indie-Pop-Chanteuse Kate Nash (26.9, 21.35 Uhr, Docks) und die Lokalhelden Kettcar (28.9., 1 Uhr, Docks). Sogar Multi-Platin-Sammler James Blunt (26.9., 23.30 Uhr, Schmidts Tivoli) hat sich für ein intimes Set zwischen Rundtischen angesagt.

Aber das ist nur eine Minderheit, das Reeperbahn Festival bleibt weiterhin ein Entdecker-Fest, egal ob man sich von den Sommersprossen der britischen Synthie-Popperin Chlöe Howl (26.9., 24 Uhr, Prinzenbar) anlocken lässt oder dem Namen des Electronica-Tüftlers FilosofischeStilte (26.9., 22.30 Uhr, Headcrash) aus den Niederlanden auf den Grund geht. Wer sucht, der findet: Knüppel-auf-die-Rübe-Metal von den Norwegern Kvelertak (28.9., 0.45 Uhr, Große Freiheit 36), Garagenrock aus Litauen mit Colour Of Bubbles (26.9., 20 Uhr, Pooca Bar), Klassik-Pop aus Russland mit Misha Mishenko (28.9., 20 Uhr, Schulmuseum) oder einen mächtigen Grime-Dancehall-Bastard aus Dänemark mit Linkoban (28.9., 24 Uhr, Indra).

Es lohnt sich, von Location zu Location zu ziehen, um zu schauen, was gerade aus Gruenspan, Indra, Knust oder der Pearls Table Dance Bar schallt. Man kann aber auch mal einen Abend an einem Ort verweilen, zum Beispiel beim LIVE-Abend am 26.9. in den Fliegenden Bauten. Dort treten neben Sven Helbig & Fauré Quartett (20.45 Uhr) und Hundreds (22.20 Uhr) auch erstmals Gloria (23.45 Uhr) auf. Die Band von Mark Tavassol (Wir Sind Helden) und „Joko & Klaas“-Hälfte Klaas Heufer-Umlauf präsentiert einen Tag vor Erscheinen die Songs des gemeinsamen, sehr gelungenen Albums „Gloria“ live auf der Bauten-Bühne.

Das ist Rock’n‘Roll. In Ton – und in Bild. Denn auch das Arts-Programm hat mit zahlreichen Ausstellungen wieder viel zu bieten. Man möchte, ach, man müsste vier Tage wach bleiben können. Um weniger zu verpassen.

Reeperbahn Festival 2013 Mi 25.9.–Sa 28.9., diverse Clubs und Bühnen auf und um St. Pauli, Tagestickets ab 34,- im Vorverkauf, Zwei-Tages-Tickets ab 56,-, Kompletttickets 68,-; Infos und Programm: www.reeperbahnfestival.com