Am zweiten Reeperbahn-Festival-Tag platzen die Klubs zwischen Nobistor und Feldstraße bei zahlreichen Konzerten förmlich auseinander.

Hamburg. Nicht nur St. Pauli lebt beim Reeperbahn-Festival seine Klischees. Eine Schweizer Band wie The Bianca Story muss (am Donnerstag) natürlich in einer Sparkasse auftreten. Und wonach riecht die Kneipe Das Herz von St. Pauli am Freitag beim Showcase-Nachmittag der Schweizer Pop-Szene? Nach Raclette-Käse. Nebenan im Hörsaal diskutieren kanadische Musiker zwischen den Konzerten über den Spielerstreik der Eishockey-Liga NHL. Aber ansonsten gelten keine Regeln mehr am zweiten Festival-Tag.

Eine Hype-Band wie The Asteroids Galaxy Tour quetscht sich in den winzigen "Reeperbus" auf dem Spielbudenplatz. Warum nicht? Aber dass selbst bei exotischen Angeboten wie der Luxemburger Band Monophona im Kaiserkeller Enge herrscht, ist schon eine Überraschung. Bei den Haare und Bärte schüttelnden Black-Sabbath-Epigonen Kadavar aus Berlin platzt das Indra förmlich auseinander, so auch das benachbarte Gruenspan bei den britischen Indie-Poppern von The View.

We Were Promised Jetpacks zischen durch das Docks. Währenddessen drehen die Ausschenker in den Bierschwemmen auf dem Hamburger Berg Däumchen. Nix los. Das Reeperbahn-Festival saugt die Menschen am frühen Abend auf wie ein Schwarzes Loch. Wer nicht an den Kordeln überfüllter Klubs warten will, sucht das Abseitige, Besondere.

Und findet Olivia Pedroli in Angie's ebenfalls gut gefüllten Nightclub. Die Schweizer Künstlerin wird nicht ohne Grund mit Björk oder Feist in einem Satz genannt, denn sie hat nicht nur Björks Produzenten Valgeir Sigurdsson überzeugt, sondern mit ihm auch filigran arrangierte, melancholische Zauberklänge auf dem Album "The Den" vereint. Dass sie ihr komplexes, vielschichtiges Werk live mit Band ebenso intensiv aufführt wie im Studio, ist schlicht spektakulär. Und das nicht nur im Nightclub, sondern auch schon am Nachmittag im Raclette-Dunst ihres Showcases. Ein Konzert, um die körpereigenen Akkus aufzuladen, und sie gegen Mitternacht vom Hamburger Hip-Hop-Quartett Neonschwarz im Moondoo wieder leerlutschen zu lassen.

Auch vor dem Moondoo wird längst die Hölle von der Leine gelassen. Gegen den Kiez stinkt niemand an. Oder um es mit dem aktuellen Tour-Plakat der zweifachen Festival-Meisterer Deichkind zu sagen: "GEIDER LEIL".