Mit “In The Still of Night“ ist der Russin ein wundervolles Album gelungen, auf dem sie Pianist Daniel Barenboim begleitet.

Hamburg. Was will man mehr: ein in unseren Breiten noch gänzlich unverbrauchtes Lied-Repertoire, gesungen von der unumstrittenen (Medien-)Königin der Opernwelt dieser Tage, und das so intim, als fände die Musik bei uns im Schlaf- oder meinetwegen im Wohnzimmer statt. Denn anstelle eines Opernorchesters begleitet sie nur der immens farbenreiche und subtile Pianist Daniel Barenboim. Und dazu noch die prickelnde Atmosphäre eines Live-Auftritts.

Doch gleißendes Rampenlicht blitzt nur ausnahmsweise auf. Das neue Album der Anna Netrebko "In The Still of Night" empfiehlt sich auch in den opernnahen, dramatischen Augenblicken für Abende bei Kerzenschein. Die russische Sopranistin mit dem starken Faible zum Mezzo bietet ein klug komponiertes Programm aus Liedern von Nikolai Rimsky-Korsakow und Peter Tschaikowsky, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu zeitgenössischen Texten etwa von Alexander Puschkin entstanden, genauer: zwischen 1866 und 1898.

Und die Netrebko verkörpert diese Lieder mit der phonetischen und kulturellen Selbstverständlichkeit, die Landsleuten der beiden Komponisten und der Textdichter vorbehalten bleibt. Man spürt, dass sie beim Singen nicht nachdenken muss.

Sie bewegt sich in diesem Terrain mit der wundersamen Hellsicht der Somnambulen, und sie lädt die Musik mit einer Grundschwingung aus Power und Süße auf - zwei gleichermaßen nützliche Gefährten für die Nacht.

Die Platte wurde live aufgenommen am 17. August 2009 bei den Salzburger Festspielen. Das Publikum war spürbar hoch konzentriert, und die Sängerin und ihr diskreter Zauberbegleiter am Flügel musizieren derart innig miteinander, dass man von einer Sternstunde sprechen muss. Da schon die Rezensionen des Konzerts selbst überschwänglich waren, darf man darauf vertrauen, dass das Produkt nicht bei Nacht und Nebel noch nachträglich durch Studio-Retuschen für die digitale Ewigkeit veredelt wurde. Am 29. März gastieren die beiden Über-Stars mit demselben Programm in der (längst ausverkauften) Philharmonie in Berlin.

Anna Netrebko / Daniel Barenboim: "In The Still of Night" (Deutsche Grammophon); www.annanetrebko.com