Seine Karriere begann 1992 in Hamburg, jetzt wird der Bassbariton von allen bedeutenden Opernhäusern der Welt gebucht.

Hamburg. Das musste ja so kommen. Da hat man mal die Gelegenheit, mit einem der beeindruckendsten Wagner-Sänger der Gegenwart zu reden, mit einem Star, der sich weltweit rar macht und in seiner Heimat Wales so populär ist, dass er kurz vor der Heiligsprechung zu stehen scheint. Und wo sind wir, nach nicht mal anderthalb Minuten? Golf. Na prima. Bryn Terfel, ein Traum von einem Wotan und ein schrankgroßer Trumm von Mann, macht bei unserem Telefonat sehr gekonnt auf leicht beleidigt, weil das Wetter in Wales gerade so lausig ist, dass die Platzrunde wohl ausfallen muss. Und dass sein Handicap 12 ist, kommt natürlich sofort hinterher.

Glückwunsch, aber könnten wir wieder aufs Thema kommen, bitte? "Was war noch mal das Thema?", kommt es mit toffeeweicher Stimme aus dem Hörer zurück. Das Konzert am 9. September, das der Bassbariton mit der nicht ganz unbekannten Kollegin Anna Netrebko im Großen Saal der Laeiszhalle gibt. "Ich bin da nur Gast", kontert er, "nur ein Sidekick." Was deutlich mehr als nur leicht untertrieben ist. Und dass er kaum merken würde, wie er singt für seineGage, hält er wiederum für untertrieben. "Tre sbirri, una carozza" aus "Tosca", "das zählt für sechs Arien", "Le Veau d'Or" aus Gounods "Faust", etwas von Gershwin unter anderem, am Ende ein Duett mit Netrebko, und Zugaben seien ja auch noch da.

Normalerweise ist das Strickmuster für solche Auftritte ja etwas anders: Man nimmt einen Star und einen begabten Statisten, einer steht dann im Rampenlicht, der andere daneben. Doch die außergewöhnliche Laeiszhallen-Konstellation erklärt sich aus der Vorgeschichte dieses Abends. Eigentlich nämlich war für Anfang September ein Konzert auf dem Roten Platz in Moskau geplant gewesen, bei dem neben Netrebko und Terfel auch der momentan sehr heiß gehandelte Tenor Jonas Kaufmann hätte singen sollen. Dieser Termin platzte, übrig blieb der Auftritt in Hamburg. Ohne Kaufmann.

Örtliche Opernfans mit gutem Gedächtnis können sich vielleicht noch daran erinnern, dass Terfels Welt-Karriere vor etlichen Jahren an der Dammtorstraße begann. "Frühe Opern-Erfahrungen hab ich 1992 mit einem ,Figaro' in Hamburg gemacht", meint er, darauf angesprochen. Wiederhören würde sicher Freude machen, aber: "Diese Chance haben sie verpasst. Damals hätten sie mich für alles buchen können." Wer jetzt hier von ihm erhört werden möchte, muss eher sehr geduldig sein. Die nächsten fünf Jahre ist Terfels Kalender prallvoll mit Wagner, aber an Adressen wie der New Yorker Met, Londons Covent Garden oder, natürlich, der Welsh National Opera in Cardiff.

Einen kleinen Eindruck davon, was man hier mit ihm verpasst, bekamen die Ehrengäste vor zwei Jahren bei der Verleihung des Shakespeare-Preises der Töpfer-Stiftung im Rathaus. Terfel sang zum Dank für die Ehrung ein bisschen was aus dem "Don Giovanni" und verteilte Rosen an verzückte Damen im Publikum. Ein billiger Ranschmeißer-Trick, zur Rolle passend, wie er amüsiert eingesteht. Funktionierte aber bestens.

Eher früher als später landen wir aber wieder beim Sport. Der war in jungen Jahren seine Methode, um dem Spott der Kumpel zu entgehen, die meinten, singen sei nur etwas für "sissies", für Weicheier. Terfel scherte das nicht, er glich das mit Fußball, Basketball, Cricket und Rugby aus und gerät schon beim Gedanken daran ins Schwärmen. Doch das gute alte Knochenbrecher-Rugby, das war einmal, erst recht für ihn selber. "Meine Knie würden das nicht mehr mitmachen, und ein paar Kilos weniger wären dafür wohl auch notwendig."

Es folgt: Fußball. Terfel ist so sportverrückt, dass er einen Großteil seiner Engagements im letzten Jahr auf große Sportereignisse ausrichtete. Boxen in Las Vegas, der Ryder Cup in Kentucky. Und dann war da noch das Champions-League-Finale in Rom, bei dem er zusehen musste, wie sein Verein Manchester United gegen den FC Barcelona verlor.

Die Schmach wurde noch schlimmer, weil ihm mittendrin jemand von hinten auf die Schulter tippte: der Tenor-Kollege José Carreras, bekennender Barcelona-Fan. "Am Ende freute er sich hämisch, dieser kleine Spanier ...!"

Als - um es mit Wagners "Holländer" zu sagen - dann die Frist um ist, verabschiedet sich Terfel mit etwas komplett Fachfremdem. Er müsse jetzt doch noch mal raus ins Waliser Mistwetter. Spenden sammeln für einen Rettungshubschrauber.

Konzert : 9.9., 20 Uhr, Laeiszhalle, mit Anna Netrebko, Bryn Terfel, Ekaterina Semenchuk. Prager Philharmonisches Orchester & Chor. Werke u. a. von Tschaikowsky, Offenbach, Verdi und Puccini.

Tickets (55 bis 285 Euro) bei allen Vvk.-Stellen sowie den Abendblatt-Ticketshops ( www.abendblatt.de/ticketshops ) und der HA-Hotline: T. 040/30 30 98 98