Martin Kusejs Inszenierung von Ibsens “Baumeister Solness“ eröffnete die Schauspielhaus-Saison. Werner Wölbern brilliert in der Rolle des Machtmenschen.
Hamburg. Gibt es gerade ein Ibsen-Festival? Vielleicht steht er derzeit so häufig auf den Spielplänen, weil die Stücke des 1900 gestorbenen Norwegers Helden zeigen, die vorwärts der unvermeidlichen Katastrophe entgegen stürzen und damit wohl ziemlich genau unseren Zeitgeist treffen.
Ihre Helden leben nicht von Taten sondern von Gedanken, Stimmungen. Sie denken übers Denken, sie fühlen sich fühlen. So auch im "Baumeister Solness", Ibsens Stück über den rücksichtslosen Machtmenschen Solness, das Regisseur Martin Kusej nun zur Eröffnung der Saison am Schauspielhaus herausbrachte. Nur einen Abend, nachdem das Thalia Ibsens Sinnsucher "Peer Gynt", auf die Reise geschickt hatte.
Wäre dies ein Wettbewerb, Kusej und das Schauspielhaus hätten ihn gewonnen, denn hier gibt es nicht nur glänzende Schauspieler, sondern auch eine messerscharfe, unnachsichtige, eiskalte Selbstanalyse der in Schuldgefühle verstrickten Personen. Großes Schauspielertheater.
Kusej erzählt die Geschichte vom geschäftlichen Aufstieg des Baumeisters, der erst möglich wurde, nachdem das Haus seiner Frau abgebrannt ist und seine beiden kleinen Zwillingssöhne starben, als verhängnisvollen Kampf eines Kraftmenschen, der Angst vor dem Alter hat, niemand neben sich duldet und rücksichtslos seine Interessen verfolgt. Werner Wölbern ist ihm dabei ein großartiger Interpret. Er dampft, kämpft, beißt alles weg, was sich ihm in den Weg stellt, wird weinerlich, größenwahnsinnig, grabscht jeder Frau unter den Rock außer seiner eigenen, demütigt einen Todkranken (Michael Prelle), raubt dessen Sohn (Marek Harloff) die Arbeit und die Verlobte, verfällt schließlich dem fordernden Charme und den Wahnwitzideen einer jungen Frau, die er schon bedrängte, als sie erst zwölf Jahre alt war.
Ute Hannig spielt Solness' Ehefrau Aline zwischen Verhärmtheit und Verständnis, Julia Nachtmann gibt als Buchhalterin das willige Blondchen. Überraschend kraftvoll und neben Wölbern gleichermaßen überzeugend, die junge Katharina Schmidt als Hilde Wangel. Herausfordernd, frech, lasziv und berechnend spielt sie die Göre, die den alten Kerl erst um den Verstand, dann um sein Leben bringt. Wenn Wölbern und Schmidt zusammen auf der Bühne agieren, entsteht ein spürbares Kraftfeld.
Martin Zehetgruber hat einen großen Raum gebaut, hell erleuchtet von 35 Neonröhren an der Decke und voll gestapelt mit unfertigen Modellen, über die die Schauspieler klettern, auf die sie steigen, als ewige Herausforderung und ewiges Hindernis. Nach knapp zwei Stunden war die Gefühls-Tour de force zu Ende. Im Schauspielhaus gab's Beifall wie schon lange nicht mehr.