Neue Vorwürfe gegen Doris J. Heinze: Die suspendierte NDR-Fernsehfilmchefin soll Drehbücher unter Pseudonym verfasst und verkauft haben.

Berlin. Die Äffäre um die wegen Vetternwirtschaft suspendierte NDR-Fernsehfilmchefin Doris J. Heinze weitet sich aus. Bei den Überprüfungen ergaben sich laut Sender am Montag „konkrete Anhaltspunkte“ dafür, dass die 60-Jährige unter falschem Namen Drehbücher schrieb. Nach diesen Erkenntnissen soll Heinze unter Pseudonym über externe Produktionsfirmen zwei Drehbücher und ein Treatment für den NDR verfasst haben, ohne dass dies dem Sender bekannt war. Der NDR geht deshalb nunmehr davon aus, dass ihm auch ein materieller Schaden entstanden ist.

„Hätte Frau Heinze den Sachverhalt offengelegt, hätte sie deutlich weniger Honorar erhalten“, so der Sender. Welches Pseudonym Heinze verwendete, wollte der Sender nicht sagen. Laut NDR-Sprecher Martin Gartzke wurde von den Büchern eins realisiert und bereits als Film gesendet. Das Treatment sei ebenfalls realisiert worden, das Buch stamme aber nicht von Heinze. Um welche Filme es sich handelt, wollte der Sender ebenfalls nicht mitteilen. Heinzes Anwalt Gerd Benoit sagte zu den neuen Vorwürfen, es handele sich lediglich um Vermutungen.

Der NDR hatte am Donnerstag bekannt gegeben, dass die Redaktionsleiterin Fernsehfilm mit sofortiger Wirkung suspendiert sei und angekündigt, eine fristlose Kündigung vorzubereiten. Heinze habe eingeräumt, dass ihr Ehemann zwischen 2001 und 2009 über zwei Produktionsfirmen insgesamt fünf Drehbuchaufträge für Fernsehfilme erhalten habe, von denen vier von der Münchner Produktionsfirma AllMedia Pictures für den NDR verfilmt wurden. Beim NDR sei er unter dem Pseudonym Niklas Becker aufgetreten. Für diesen gab es auch eine erfundene Biografie. Der NDR prüft auch mögliche Schadensersatzforderungen gegen Heinze.

Der NDR steht nach eigenen Angaben in enger Verbindung mit der Staatsanwaltschaft Hamburg. Diese hat ein Vorermittlungsverfahren gegen Heinze eingeleitet, wie Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers bestätigte. Es handele sich noch nicht um förmliche Ermittlungen. Mit Blick auf die neuen Erkenntnisse sagte er, es wäre theoretisch denkbar, dass ein Anfangsverdacht wegen Betruges möglich sein könnte.

Die „Süddeutsche Zeitung“ hatte am Wochenende zudem den Namen der Drehbuchautorin Marie Funder genannt, hinter der auch eine Bekannte von Heinze stecke. Laut dem Blatt geht die Angelegenheit im übrigen weit über die Begünstigung des eigenen Ehemannes durch eine Fernsehredakteurin hinaus. Unterlagen, die der Zeitung vorlägen, deuteten auf ein „ausgedehntes System der Vetternwirtschaft“ hin, das in mehreren Fällen Straftatbestände wie Betrug oder Untreue erfüllen könnte, hieß es in dem Bericht. Demnach sollen von der Münchner Produktionsfirma mehrmals hohe Beiträge für wahrscheinlich fiktive Leistungen geflossen sein.

Nach Angaben des Unternehmens ruht der Vertrag einer festen freien Produzentin, eine weitere Mitarbeiterin wurde freigestellt. Es werde nun geprüft, inwieweit der AllMedia ein Schaden entstanden sei. Man behalte sich juristische Schritte vor.

Der Auftrag des NDR-Intendanten an die Revision des Senders zu einer „umfassenden und möglichst lückenlosen Aufklärung des Sachverhalts“ besteht fort, wie der Sender weiter mitteilte. Nach Abschluss der Untersuchungen werde darüber umfassend informiert.