Eine Explosion in einem idyllischen Dorf bringt ein Verlies und grausames Versteck ans Licht. Der “Tatort“ lebt von dem, was nicht gezeigt wird.

Berlin. Ein Rudel Hunde stromert herrenlos über die Straße, auf einem Hausdach thront ein blauer Papagei. Irgendetwas stimmt nicht in dem ansonsten so idyllisch anmutenden Dorf, in dem „Tatort“-Kommissarin Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) auf den Abschleppdienst wartet. Der 19. Fall der Hannoveraner Ermittlerin „Schwarze Tiger, weiße Löwen“, den das Erste am Sonntag (11. Dezember, 20.15 Uhr) zeigt, beginnt mit einer trügerischen Ruhe: Inmitten des surreal anmutenden Szenarios explodiert ein Haus.

Wie sich herausstellt, befand sich darin eine Tierpension, der Mann der Besitzerin wurde getötet. Lindholm nimmt die Ermittlungen auf, eher widerwillig unterstützt von der örtlichen Kommissarin Malchus (Inka Friedrich). Dabei stößt sie auf eine kleine Laube am Waldrand, in der sich Fotos einer jungen Frau sowie Kinderspielzeug finden. Allem Anschein nach hat der Tote ein Doppelleben geführt, doch von der vermeintlichen Zweitfamilie keine Spur.

Bei dem Versuch, die Frau und das Kind ausfindig zu machen, ergeben sich für die Kommissarin immer mehr Ungereimtheiten. Dabei wirken sich ihre privaten Liebeswirren zunehmend auf ihre Arbeit aus. Der unnahbare Journalist Jan Liebermann (Benjamin Sadler), der Lindholm bei ihrem letzten Fall geholfen hatte, verdreht der Blondine mächtig den Kopf. „Sie sind so sensibel wie ein blindes Nashorn“, rüffelt Malchus die verknallte Kollegin angesichts ihrer Männerprobleme.

Anleihen an Fall Natascha Kampusch

Als die beiden die Laube noch einmal durchsuchen, entdecken sie - versteckt hinter einem Kachelofen – ein unterirdisches Verlies. Darin ein leeres Kinderbett mit Handschellen. Ein Anblick, der selbst die sonst so starke Lindholm zwischenzeitlich die Beherrschung verlieren lässt. In der intensivsten Szene des Films konfrontiert sie die Ehefrau des Getöteten (Michaela Casper) in dem engen Verschlag mit den Taten ihres Mannes. Die klaustrophobische Enge des Verlieses ist dabei fast mit Händen zu greifen.

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Die Geschichte erinnert in Zügen an den Fall der als Kind entführten Natascha Kampusch, der 2006 nach acht Jahren Gefangenschaft die Flucht gelang. Der Film überlässt die Geschehnisse im Verlies allein der Fantasie der Betrachter: „Dieser Krimi findet zu weiten Teilen im Kopf des Zuschauers statt“, sagte Regisseur Roland Suso Richter („Der Tunnel“, „Dresden“) bei der Präsentation seines ersten „Tatorts“. Er setzt vor allem auf starke Dialoge und gelegentlich eingestreute Suspense-Momente.

Ohne die Gräueltaten selbst zu zeigen, erzeugt Richter ein wachsendes Grauen beim Zuschauer. Mit „Schwarze Tiger, weiße Löwen“ ist ihm ein beklemmender „Tatort“ gelungen, auch wenn es angesichts des kompliziert konstruierten Falls mit zahlreichen Protagonisten zeitweilig schwerfällt, den vielen Erzählsträngen zu folgen. „Das fand ich faszinierend, dass man emotional mitgeht, aber erst am Ende versteht“, sagte Richter.