Beim Reeperbahn Festival ertönt neue internationale Musik an 22 Orten. Marit Larsen tritt in einer für sie eher ungewöhnlichen Location auf.

St. Pauli. Natürlich ist eine Stripbar nicht gerade unüblich auf dem Kiez. Und doch entbehrt der Auftritt der Berliner Songschreiberin Maike Rosa Vogel auf dem Reeperbahn Festival nicht einer gewissen Komik. Umgeben von Tanzstangen, Spiegeln und Glitzerlicht singt die zierliche Göre Donnerstagnacht sensible Songs über melancholische Gefühlswelten, während sich die Pearls-Nachtschicht auf die Zeit nach den Konzerten vorbereitet. Hans Albers, der vom Bild grüßt, hätte das bestimmt sehr gefallen.

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Das Getränkekonto lässt sich im Imperial-Theater aufladen

Noch bis Sonntag früh gilt es auf St. Pauli eben nicht nur, mehr als 180 Bands zu entdecken, sondern auch ungewöhnliche Spielorte. Zu den extravaganteren der 22 Bühnen zählt die Haspa-Filiale auf der Reeperbahn. Und das Hamburger Quartett Wilhelm Tell Me versteht es mit seinem Nerd-Pop, dem Bank-Foyer eine schrullige Sexyness zu verleihen. Doch Frontmann Henning hat trotz üppiger Bebrillung Schwierigkeiten, den Durchblick zu behalten. Steht doch direkt vor ihm eine (sehr) dicke Säule im Raum, um die die Fans aber ausgelassen tanzen. Ins Minus rutscht die Location zudem, da an den Geldschaltern keine Getränke zu beziehen sind. Rock 'n' Roll geht anders.

Aufladen lässt sich das Festival-Getränkekonto hingegen beim Besuch im plüschigen Imperial-Theater. Dort umgarnt die Folk-Elfe Ólöf Arnalds ihr Publikum nicht nur mit possierlichem Akustikgitarrenpop. Das herrlich gutturale "R" der isländischen Muttersprachlerin verzückt, "es ist so warm hier, das mögen die Gitarren nicht". Aber sie klingen sehr schön, die Saiten, sie können nicht anders, Fräulein Arnalds' Gespür für Melodien sei Dank.

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Feingefühl zeigt auch das US-Quartett Deer Tick, und zwar für ungeschliffene Countryperlen. Sänger John McCauley krächzt, als hätte er schon einige Gallonen Whiskey durchgezogen. Das beflügelt den Folk, die Melancholie und auch die verzückt lächelnden Besucher des Molotow. Zu dieser frühen Stunde klappt das hier noch mit der Ein- und Ausatmung. Später beim dynamischen Welpenrock von The Carolines aus London oben in der Bar drängeln sich genauso viele Leute draußen vor der Fensterscheibe wie drinnen.

Anarchie, wenn auch inhaltlich, demonstriert kurz vorher auch Jochen Distelmeyer. "Wohin mit dem Hass?" fragt der Hamburger. Die Streberfrisur hat sich zwar zur Hippielänge ausgewachsen. Doch als zorniger, wenn auch nicht mehr ganz so junger Mann geht er immer noch durch. Mit "Eintragung ins Nichts", einem prallen Stück Diskursrock seiner einstigen Band Blumfeld, kommentiert er "die politischen Veränderungen in diesem Land, vor allem in dieser Stadt".

Das Festival, es kann neben Branchentreff und Partyhype auch kontrovers sein. Denn Widerstand und -sprüche sind auf dem Kiez ebenfalls nicht unalltäglich.

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Internet: www.reeperbahnfestival.com