Die Punk-Veteranen von “Slime“ sangen auf dem Dockville-Festival gegen den Staat. Wie damals vor 30 Jahren.

Hamburg. Am Ende war es doch recht brav. Nicht so wie am 21. Januar 1984 in der Pankehallen in Berlin: Punks wollen die Bühne stürmen, die Bandmitglieder von "Slime" schlagen mit Vierkanthölzern zurück. Chaos. Einige bluten, andere grölen weiter. Als die Punkrocker von "Slime" am Sonntag auf dem Dockville-Festival spielten, wurde nichts gestürmt oder geschlagen. Es wurde vor allem gegrölt. "Slime" sind sich treu geblieben. Harte Parolen, harter Punk - seit 30 Jahren stehen sie auf der Bühne. Ihre radikalen Songs dröhnen bis heute auf jeder Demo zum 1. Mai. Die Band wurde zum Kult einer Szene und zur Legende - obwohl sie damit niemals etwas zu tun haben wollten. "Slime" ist schonungslos. Keine Diplomatie, auch nach all den Jahren Pause nicht. Das Konzert auf dem Dockville wurde eine einstündige Reise zurück in die Zeit von Nato-Doppelbeschluss, RAF und Rasterfahndung, in die Zeit als die Hafenstraße noch die Revolution ausrief und der Stern des Anarcho-Punks über St. Pauli schien. Auf dem Dockville begann diese Reise mit dem Lied "A.C.A.B." (All Cops Are Bastards), dann "Legal, illegal, scheißegal", später "Linke Spießer" und "Brüllen, zertrümmern und weg". Es ist der Soundtrack unzähliger Demonstration. Und er hat einen Höhepunkt: Als Zugabe grölte Sänger Dirk "Dicken" Jora das Lied "Deutschland muss sterben" ins Mikrofon. Es ist seine Antwort auf die Losung „Deutschland muss leben, und wenn wir sterben müssen“, die auf dem 1936 errichteten Hamburger Kriegerdenkmal am Dammtorbahnhof steht.

Aber weil das Dockville keine linke Demonstration ist, standen die Zuschauerreihen dann doch nicht so dicht zusammen. Vorne brüllten sie die Systemkritik im Kanon zurück in Richtung Bühne, eine Handvoll "Iros" wippten im bretternden Punkrock-Takt mit, einige Lederwesten schmückten sich mit verchromten Nieten. Weiter hinten im Publikum mischten sich skeptische Blicke mit anerkennendem Staunen. Die Texte sind alt, doch der Klang von "Slime" hat Druck. Technisch ist in all der Zeit nichts verloren gegangen. Im Gegenteil. Eine Bassistin und ein Schlagzeuger hat sich die Hamburger Band für die Tour als Verstärkung auf die Bühne geholt.

Wenn Legenden nach Jahren zurück auf die Bühne kommen und alte Hits spielen, birgt dieser Anachronismus immer ein Risiko. "Slime" wagt sich in diesem Sommer wieder auf die Bühne und singt gegen die Polizei und den deutschen Staat - auch weil sie davon überzeugt sind, dass ihre Parolen bis heute ihre Geltung behalten haben.