Die Wiener Gesellschaft zittert vor Entrüstung über die 18-jährige Berlusconi-Bekannte. Trotzdem debütiert Ruby an der Seite von Richard Lugner.

Wien. Dieser Skandal könnte aus der Kaiserzeit stammen. Die gute Wiener Gesellschaft zittert vor Entrüstung. Ein bildhübsches "leichtes Mädchen“ aus Italien bedroht mit seinem Besuch an der Seite eines alternden Unternehmers die Ikone der österreichischen Handkuss- und Glamourwelt: den Wiener Opernball. "Pietätlos“ sei das, so wird geschimpft, ein "Sittenverfall“. Die Warnung vor einem "Logen-Strich“ geistert durch die Öffentlichkeit. Die skandalträchtige Dame selbst gibt sich am Mittwoch trotz des Trubels recht entspannt: "Walzer tanzen kann ich nicht, ich kann nur bauchtanzen“, gesteht Ruby, 18 Jahre alt, vor Journalisten. "Ein glückliches Land, fürwahr, in dem solches zur Staatsaffäre wird“, schreibt das Nachrichtenmagazin "Profil“ nüchtern über die Aufregung, die der Besuch von Berlusconis "Bunga-Bunga“-Bekannter auslöst.

Mit 217 Nennungen schlägt der Urheber des Ruby-Coups, Society-Löwe Richard Lugner, in Österreichs Medien in den letzten Tagen klar alle Politiker. Sein Plan ist also aufgegangen. An dem Klatschspalten-Dauergast prallt wie immer alle Kritik ab: "Sie ist absolut nett und gescheit“, sagt er bei der Ankunft von Karima El Mahroug. Es gebe keinen besseren Gast. Das freilich sehen viele in Österreich anders. "Das ist aber jetzt die größte Peinlichkeit, die Herr Lugner jemals gemacht hat. Es ist traurig, beschämend und pietätlos“, schimpft Opernball-Chefin Desiree Treichl-Stürgkh und droht dem Baumeister mit Logenverlust im nächsten Jahr. Mit der Einladung eines Escort-Girls sei der Opernball nach Jahren des Sinkflugs auf dem Boden der Geschmack- und Bedeutungslosigkeit gelandet, jammert ein Kolumnist des Magazins "News“. Der Programmdirektor des öffentlich-rechtlichen Senders ORF, Wolfgang Lorenz, ordnete gar Zensur an. Die Mitarbeiter mögen das Fest "nicht zum Nuttenball umfunktionieren“ schrieb er in einer internen Mail, die Medien öffentlich machten. Der Opernball sei ein Künstlerball und der "Versauung des Opernballs durch Mini-Berlusconis“ sei Einhalt zu gebieten, wetterte er. Gerade eine öffentlich-rechtliche Anstalt sei da in der Pflicht. "Ich spreche der Dame nicht jede Art von Künstlerschaft ab, wenn auch auf anderen Gebieten.“

Dieser Eingriff in die journalistische Freiheit zog laut Medienberichten interne Proteste von Redakteuren der Informationssendungen des Senders nach sich. ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz nannte die Weisung in einem Interview "höchst bedauerlich“. Weitere Unterstützung erhielt Ruby ausgerechnet von den obersten Hütern von Moral und Stil in Österreich: Dompfarrer Toni Faber und dem Benimm-Papst und ehemaligen Opernball-Zeremonienmeister Thomas Schäfer-Elmayer. Ihr Auftritt sei zwar ein Abstieg, aber Prostituierte seien auch Menschen, so Schäfer-Elmayer. "Wer weiß, wie viele davon sonst am Ball sind.“ Es gebe bei weitem himmelschreiendere Professionen – wie etwa Waffenschieber, die auch auf dem Ball vertreten seien, sagte Faber der Zeitung "Österreich“. Gäste mit deutlich dunklerer Vergangenheit regten in der Vergangenheit bei dem Gesellschaftsereignis kaum auf: Der Sohn des libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi, Saif al-Islam, flanierte an der Seite des Rechtspopulisten Jörg Haider über das Parkett. Im Jahr 2000 begrüßte der damalige Kanzler Wolfgang Schüssel den kasachischen Autokraten Nursultan Nasarbajew als Staatsgast in der Oper. Kritiker werfen ihm die Unterdrückung von Oppositionellen und Menschenrechtsverletzungen vor.