„Jodaeiye Nader az Simin“ heißt der Siegerfilm, der den goldenen Bären bekam. Das Werk zeigt den Zerfall einer Familie.
Berlin. Mit dem iranischen Drama „Jodaeiye Nader az Simin", zu deutsch "Nader und Simin, eine Trennung" von Asghar Farhadi hat sich bei der 61. Berlinale der große Favorit durchgesetzt. Mit dieser Wahl festigte die Berlinale ihren Ruf als das politischste der großen Filmfestivals. Denn die Auszeichnung ist auch als Zeichen der Solidarität mit dem im Iran zu sechs Jahren Haft verurteilten Regisseur Jafar Panahi zu verstehen. Sie ist aber nicht nur ein politisches Statement, sondern auch künstlerisch voll gerechtfertigt.
Selten zuvor waren sich Kritik und Jury darüber so einig wie in diesem Jahr. Denn Farhadi schuf einen vielschichtigen Film über das Alltagsleben in Teheran. In ihm geht es nicht nur um Moral, um Konflikte innerhalb Familie und Gesellschaft, sondern über allem schwebt die unbeantwortet bleibende Frage, warum eine Familie den Iran überhaupt verlassen will. Die Geschichte ist spannend und einfühlsam erzählt, die Schauspieler agieren glaubwürdig und facettenreich, das Drehbuch ist stringent. Berechtigt sind so auch die Silbernen Bären für die besten Darsteller.
Der Iran stand von Beginn an im Fokus der Berlinale. Die Festspiele hatten den Filmemacher Panahi, der 2006 mit dem Film «Offside» einen Silbernen Bären gewonnen hatte, als Juror eingeladen. Kurz darauf war er zu sechs Jahren Haft und 20 Jahren Berufsverbot verurteilt worden. Ausreisen durfte er nicht. Aus diesem Grund blieb ein Juryplatz für Panahi frei und es gab während der Berlinale Solidaritäts-Bekundungen mit dem Regisseur. Der ebenfalls verurteilte Mohammas Rasoulof freilich wurde kaum erwähnt.
Überraschend gut schnitten die Filme der beiden deutschen Regisseure ab. Wohl nur wenige hätten darauf gewettet, dass Ulrich Köhler für seinen Film «Schlafkrankheit» als bester Regisseur ausgezeichnet wird. Denn die Zweiteilung des Films erschien manchem Kritiker doch als zu großer Bruch. Auch an Andres Veiels RAF-Drama «Wer wenn nicht wir», das den Alfred-Bauer-Preis erhielt, schieden sich die Geister.
Die Berlinale bot insgesamt viel Mittelmaß. Ihre Attraktivität hat offenbar abgenommen, was auch damit zu tun hat, dass immer mehr Filmfestivals in aller Welt gegründet werden. Namen großer Regisseure waren Mangelware, sieht man von den Coen-Brüdern ab, deren Western «True Grit» aber außer Konkurrenz lief und in den USA schon seit Weihnachten in den Kinos zu sehen ist.
Es fehlten die neuen Filme von Regisseuren wie Lars von Trier, Terence Malick oder David Cronenberg. Sie sollen nicht rechtzeitig fertig geworden sein, hieß es zur Begründung. Dafür aber sollen sie im Mai in Cannes gezeigt werden – unter Palmen, bei milden Temperaturen und Sonnenschein. Auch Pedro Alomodovar und Steven Spielberg werden dort erwartet.
Das ist kein gutes Zeichen für die Berlinale. Festival-Direktor Dieter Kosslick machte aus der Not eine Tugend und präsentierte Neulinge. Allerdings fiel so mancher Debütant durch. So wirkte beispielsweise Ralph Fiennes Shakespeare-Adaption «Coriolanus» mit ihm selbst in der Hauptrolle oft nur eitel.
Dagegen wird die 61. Berlinale als Filmfest in die Annalen eingehen, bei dem 3D als Kunstform den Durchbruch schaffte. Im Hauptprogramm starteten gleich drei solcher Filme. Vor allem Wim Wenders Hommage an die Choreografin Pina Bausch mit der Titel« Pina» stieß auf große Zustimmung.
Der Glamourfaktor in diesem Jahr war nicht allzu hoch. Das liegt auch an den Oscars, die kurz nach der Berlinale am 27. Februar verliehen werden. Wer da abräumen will, muss seinen Film schon im Herbst zeigen und nicht erst als Weltpremiere im Februar bei der Berlinale.
Weibliche Topstars waren so im kalten Berlin kaum zu entdecken. So waren es in erster Linie Jeff Bridges, Joel und Ethan Coen, Josh Brolin, Kevin Spacey, Jeremy Irons und Harry Belafonte, die dem Festival Glanz gaben. Auch Kanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Christian Wulff statteten dem Festival einen Besuch ab.
Dafür kann sich die Berlinale weiter mit dem Titel des größten Publikumsfestivals weltweit schmücken. Wieder wurden in den zehn Tagen 300.000 Karten verkauft. Und mit dem Talent Campus und dem Europäischen Filmmarkt bietet das Festival weitere Attraktionen.. (dapd/abendblatt.de)
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Sogar Bundespräsident Christian Wulff und Bundeskanzlerin Angela Merkel wollten sich den ersten 3d-Fim des Regisseurs Wim Wenders nicht entgehen lassen, der auf der Berlinale vorgestellt wurde. „Pina“, eine Hommage an die legendäre Choreografin Pina Bausch, erhielt bei der Premiere am Sonntagabend begeisterten Beifall. Beim Applaus für die Tänzer erhoben sich Wulff und Merkel als eine der ersten von den Plätzen und klatschten lange im Stehen.
„Ihr Beifall gilt vor allem der großen Frau, für die wir diesen Film gemacht haben“, sagte Wenders gerührt. Der 65-Jährige hatte das Projekt ursprünglich gemeinsam mit Bausch geplant. Kurz vor Beginn der Dreharbeiten 2009 starb die Wuppertaler Choreografin jedoch innerhalb weniger Tage an Krebs. Der Film zeigt mit mitreißender Musik vier ihrer wichtigsten Stücke. Dazwischen erinnern sich Mitglieder der Compagnie mit eigenen Improvisationen an Bausch.
„Eines der größten Kinoerlebnisse, die ich je hatte“, sagte Grünen-Chefin Claudia Roth nachher der Nachrichtenagentur dpa. „Man ist plötzlich mitten drin in dieser Welt des Gefühls. So etwas habe ich noch nie erlebt.“ Schon nach der Pressevorführung am Mittag hatte Wenders viel Lob geerntet. „Es scheint, als wären Sie Midas. Alles, was Sie berühren, wird zu Gold“, sagte ein Journalist bei der anschließenden Fragerunde.
„Pina“ lief als Wettbewerbsbeitrag der Berlinale außer Konkurrenz. In einer Sondervorführung feierte am Sonntagabend auch Werner Herzogs Dokumentarfilm „Cave of Forgotten Dreams“ (Höhle der vergessenen Träume) Europapremiere. Der ebenfalls in 3D gedrehte Streifen geht dem Rätsel der erst 1994 entdeckten Höhlenmalereien von Chauvet-Pont-d'Arc in Südfrankreich nach. (dpa/abendblatt.de)