Der große Ausblick über die Ausstellungen des Jahres. Mit Gerhard Richter, Max Liebermann, König Ludwig II. - und dem Design von Apple.
Hamburg. Die Zeit der großen Ausstellungen sei vorüber, wurde bereits vor Jahren prognostiziert. Sie seien nicht mehr zeitgemäß, viel zu teuer und der Transport von empfindlichen Kunstwerken nicht mehr zu verantworten. Das war eindeutig eine Fehlprognose, denn obwohl viele Museen inzwischen erhebliche Probleme haben, aufwendige und außergewöhnliche Ausstellungen zu realisieren, spielen diese weiterhin eine große Rolle.
Das liegt nicht zuletzt an der Erwartungshaltung des Publikums, das sich gern auf ein bestimmtes Thema, eine Epoche oder einen Künstler einstellt. Allerdings sind die Erwartungen an Besucherzahlen insgesamt bescheidener geworden, Mega-Events wie die Ausstellung des New Yorker Museums of Modern Art in der Neuen Nationalgalerie Berlin, die 2004 insgesamt 1,2 Millionen Besucher anlockte, sind Ausnahmeerscheinungen geblieben. Inzwischen reicht schon das Reißen der 100 000-Marke, um sich als "Blockbuster-Ausstellung" feiern zu können. Andererseits sind 100 000 Besucher oft erforderlich, um eine große Ausstellung überhaupt refinanzieren zu können.
Trotz dieser Unwägbarkeiten und erheblicher Finanzprobleme der Museumsstiftungen wird Hamburg in diesem Jahr mit einigen Großausstellungen aufwarten können. So plant die Kunsthalle eine große Liebermann-Schau (14.10.2011-19.2.2012), das Museum für Kunst und Gewerbe gibt sich trendbewusst und lüftet unter dem Titel "Das Design von Jonathan Ive" das gestalterische Erfolgsgeheimnis des Chefdesigners der stilprägenden Marke Apple, der unter anderem dem iMac, dem iPod und dem iPad ihre Form gegeben hat (26.8.2011-15.1.2012). Und das privat finanzierte Bucerius-Kunst-Forum lockt im Sommer mit einer William-Turner-Ausstellung, bei der selbst bei einer sommerlichen Hitzeperiode eigentlich nichts schief gehen kann (2.6.-11.9.).
Ambitioniert ist der Doppelschlag, mit dem das Bucerius-Kunst-Forum bereits im Februar gemeinsam mit der Hamburger Kunsthalle den Ausstellungsreigen zu Gerhard Richters 80. Geburtstag im kommenden Jahr einläutet: Die Doppelschau "Gerhard Richter, Bilder einer Epoche" im Bucerius-Kunst-Forum (5.2.-15.5.) und "Unscharf. Nach Gerhard Richter" in der Kunsthalle (11.2.-22.5.) läuft erstmals unter dem Marketingbegriff "Kunstmeile Hamburg", mit dem künftig öfter große Hamburger Ausstellungsereignisse beworben werden sollen.
Wer sich auf Museumsreise begeben mag, findet dafür auch 2011 viele Ziele: Die Liebermann-Schau der Kunsthalle ist bereits im Frühjahr in der Bonner Bundeskunsthalle zu sehen, auf deren Dach sogar Teile von Liebermanns Berliner Wannsee-Garten rekonstruiert werden sollen (21.4.-18.9.). Etwa zur gleichen Zeit zeigt das Münchner Lenbachhaus "Mondrian und de Stijl", eine große Schau über Piet Mondrian und die niederländische avantgardistische Künstlervereinigung De Stijl (16.4.-15.8.).
Im Pariser Grand Palais wird es eine große Retrospektive mit Werken Odilon Redons geben (23.3.-20.6.), im Kunsthistorischen Museum Wien Renaissanceporträts von "Dürer - Cranach - Holbein" (31.5.-4.9.), und das Berliner Bode-Museum zeigt "Gesichter der Renaissance - Meisterwerke italienischer Portrait-Kunst" (25.8.-20.11). Zu den spektakulärsten Kunstausstellungen der zweiten Jahreshälfte gehört ganz sicher eine Leonardo-Schau in der Londoner Nationalgalerie (9.11.2011-5.2.2012).
Ungebrochen ist auch der Trend zu großen historischen Überblicksausstellungen. Nach dem Erfolg der Staufer-Schau, die noch bis zum 20. Februar im Reiss-Engelhorn-Museum in Mannheim zu sehen ist und die schon bis zum Jahresende mehr als 140 000 Besucher empfing, widmet sich das Historische Museum der Pfalz in Speyer der Vorgängerdynastie. "Die Salier. Macht im Wandel" heißt die historische Ausstellung, in der wertvolle Handschriften, liturgische Geräte und archäologische Funde zu sehen sind (10.4.-30.10).
Um ein sehr viel jüngeres, dafür aber besonders mysteriöses Geschichtskapitel geht es in der Bayerischen Landesausstellung, die aus Schloss Herrenchiemsee unter dem Titel "Götterdämmerung. König Ludwig II. und seine Zeit" dem widersprüchlichern Leben und Wirken des bayerischen Märchenkönigs und seinem bis heute ungeklärten Tod nachspürt. Vor 125 Jahren kam der Monarch im Starnberger See ums Leben.
Um Leben und Tod, wenn auch in viel grundsätzlicherem Sinn, geht es schließlich in Mannheim, wo am 2. Oktober die Ausstellung "Schädelkult - Kopf und Schädel in der Kulturgeschichte des Menschen" öffnet. Die Ausstellungsmacher aus dem Reiss-Engelhorn-Museum nehmen für sich in Anspruch, weltweit zum ersten Mal der Bedeutung von Kopf und Schädel in der Menschheitsgeschichte nachzuspüren. Zu sehen sind unter anderen Jahrtausende alte Schädelschalen, Kopfjägertrophäen und Schädel, die als Reliquien religiös verehrt wurden.
Hier ist Kultur reine Kopfsache.