Als Mutter Oberin im Musical “Sister Act“ schlüpft Daniela Ziegler in eine für sie ungewohnte Rolle. Premiere ist am 2. Dezember.
Hamburg. "Ach, Sie singen auch?" Bei der Frage muss Daniela Ziegler lächeln. "Sie kommt jedes Mal wieder, wenn ich in einem Musical auftrete", antwortet die Schauspielerin. Sie steckt in den Endproben zu "Sister Act" im Operettenhaus, Alan Menkens Musical nach dem Filmerfolg mit Whoopi Goldberg. Am 2. Dezember wird es zum ersten Mal in Hamburg aufgeführt. Und Daniela Zieger spielt eine gestrenge Äbtissin im Nonnenhabit.
Es ist die absolute Kontrastrolle zu ihren sonstigen Rollen. Ziegler gibt im Fernsehen meistens brillante und elegante, aristokratische Damen. In Krimis, Serien und Schmonzetten, ihre Frauenfiguren sind mal klug, mal intrigant und sogar gefährlich, sie heißen Frau Schön wie die Kunstsammlerin in "Unser Charly". Nomen est omen.
"Das breite Publikum kennt mich natürlich aus dem Fernsehen und vielleicht noch aus dem Theater. Ich sag immer, ich mache Musical unter der Tarnkappe", sagt Daniela Zieger. Für Fans und Kenner der Theaterszene ist sie jedoch ein Begriff. Da gilt sie unzweifelhaft als Star. Sie war die erste deutsche "Evita", "Dont Cry For Me, Argentina" sang sie im Berliner Theater des Westens, im Theater an der Wien und im Deutschen Theater in München. Sie ist als Aldonza im "Mann von la Mancha" aufgetreten, in "Anatevka" und bekam eine Auszeichnung für ihre mondäne Norma Desmond in Andrew Lloyd Webbers "Sunset Boulevard".
Sie ist eine durchaus komödiantische Charakterdarstellerin, wodurch sie sich ein drittes Standbein neben Bühne und Film erworben hat, wie sie es ausdrückt. Doch das Schubladendenken an deutschen Staatstheatern machte es Ziegler nicht gerade einfach. Mitte der 80er-Jahre war es noch gängige Praxis, aus E-Kunsthöhen herablassend auf die U-Niederungen zu blicken. "Nach Evita hieß es: Jetzt singt sie. Ich musste einige Zeit warten, bis ich wieder Angebote für Bühne und Film bekommen habe. Spielen kann ich immer noch. Und ich kann sogar noch etwas dazu."
1979 war die in Bochum ausgebildete Schauspielerin mit Engagements in Göttingen, Hannover, Hamburg und bei den Hersfelder Festspielen nach New York gegangen. "Ich wollte richtig singen lernen und Musical ausprobieren, ich dachte, wenn schon, dann dort, wo es herkommt. Als ich zurückkam, hab ich gleich die großen 'Klopper' gespielt." Während sie im Fernsehen in den 90ern fast omnipräsent war ("Gegen den Wind", "Dr. Schwarz und Dr. Martin"), spielte sie auch immer wieder Theater, live in den Kammerspielen ("Zeit der Zärtlichkeit") und am Ernst-Deutsch-Theater ("Meisterklasse").
Und nun? Steht Daniela Ziegler wieder auf der Musical-Bühne. In "Sister Act" zeigt sie sich im Ordenskleid, kaum geschminkt, das kastanienbraune Haar unter der Haube. "Als Mutter Oberin bin ich die Tugendwächterin, habe alles unter Kontrolle und sorge für meine Mädels. Wir sind eine tolle Truppe, aber manchmal fühle ich mich wie ein gebremstes Rennpferd, möchte am liebsten mehr mittanzen und singen, darf aber nicht."
Mit über sechzig ist es für Daniela Ziegler erneut nicht ganz einfach, attraktive Hauptrollen zu bekommen. "Das große Loch kommt, wenn man nicht mehr als Sexobjekt interessant ist, dann fallen viele Rollen weg", konstatiert sie nüchtern. "Aber noch spiele ich die Geliebte und habe es im Film mit interessanten Männern zu tun. Mit Peter Sattmann oder Sky du Mont in der zweiten Folge von 'Traum aus Schokolade'. Und in der neuen Rosamunde-Pilcher-Verfilmung 'Lords lügen nicht', habe ich eine Liebesgeschichte mit Friedrich von Thun".
Dafür hat Ziegler gerade die Nachsynchronisation hinter sich. Am 19. Dezember läuft der Film im ZDF.
Ihr Outfit? Ganz die Lady. Kaschmir-Pullover in schmeichelhaftem Beige. Schnittige schwarze Hosen. Hinter ihrem lässig souveränen Auftreten ist die Selbstdisziplin einer auf Wirkung bedachten Künstlerin spürbar. Und ihr Bemühen, die Situation zu beherrschen. Nicht umsonst wird Daniela Ziegler im Buch "Aphrodite Training" als Vorbild für Frauen über fünfzig präsentiert.
Sie verkörpert die noch schöne und erotische Frau. Sie verfügt über Selbstbewusstsein und gutes Körpergefühl. Verhilft Gymnastik tatsächlich dazu, sich schön zu fühlen? Daniela Ziegler lacht. "Ich mache hin und wieder Übungen, zu denen ich Lust habe. Ich schwimme, fahre Rad und laufe gern an frischer Luft, aber ich renne nicht."
Jedenfalls ist Daniela Ziegler eine Frau, die mit sich im Reinen ist. "Ich spiele auch Großmütter gern. Sie müssen doch nicht alte hutzelige Weiblein sein, wie vor fünfzig Jahren. Das sind heute aktive Frauen, die etwas zu sagen haben. Und mit Humor bewege ich mich auf die Urgroßmütter zu." So viel Humor steht auch der Mutter Oberin.