Der Applaus in Bayreuth eine eigene Show von hohem Unterhaltungswert. Wie klatscht man, wenn man nach zehn Jahren endlich dazugehört? Wie, wenn man schon seit Jahrzehnten dabei ist?

Bayreuth. Vieles ist besonders in Bayreuth, auch der Applaus hat wenig mit dem zu tun, was normale Laeiszhallen-Besucher an Zustimmung so von sich geben. Im Festspielhaus beginnt mit dem Schließen des gewaltigen Vorhangs nach dem Schlussakkord eine eigene Show von hohem Unterhaltungswert. Wie klatscht man, wenn man nach zehn Jahren endlich dazugehört? Wie, wenn man schon seit Jahrzehnten dabei ist?

Bayreuther Applaus hat gemessen an dem, was sich in sonstigen Opernhäusern – die italienischen mal ausgenommen – eine eigene Dramatik, neben der ein durchschnittlicher Hamburger Premieren-Applaus immer blass wirken wird. Sie kann sich steigern vom freundlichen Klatschen, was aber fast schon einer Missfallensbekundung gleichkommt, zum frenetischen Klatschen, zum kollektiven Aufspring-Jubel beim Erscheinen einzelner Sängerinnen und Sänger – besonders, wenn ausländische Besucher Landsleute auf der Besetzungsliste ausgemacht haben. Besondere Leistungen wie der meisterliche Auftritt von Klaus Florian Vogt als tenoral perfekter Stolzing in den „Meistersingern“ oder der Sensationsbass von Alan Titus als Hans Sachs werden nicht nur auf den billigen Plätzen mit einem gewaltigen Trampeln gewürdigt, was beängstigende Intensität annehmen kann. Oben drüber legt sich ein mehr oder weniger dicht gewirkter Teppich aus Bravo-Rufen. Keine Frage, in Bayreuth gut zu singen lohnt sich.

Wenn allerdings das Publikum etwas nicht goutiert, können auch die Buh-Stürme furchtbares Ausmaß annehmen, garniert mit spitzen Pfiffen und einer Empörung, bei der man an eine kurz bevorstehende Revolution glauben möchte und die Wagners lauteste Orchesterstellen mühelos übertönen könnte. Katharina Wagner bekam das für die Regie der „Meistersinger“ zu spüren – das Lächeln kann da schnell gefrieren.

Was der Bayreuther Festspielbesucher ebenfalls nicht leiden kann, ist, wenn ein voreiliges Mitglied des Publikums aus der Mitte seiner langen Reihe noch während des Applauses dem Ausgang zustreben möchte. Vernichtende Blicke folgen dem Verräter, der sich seiner Pflicht zur Bewertung so schändlich entzieht. Oder ist es doch nur der Neid darüber, dass sich jemand kleine, aber entscheidende Vorteile beim Start in die einstündigen Pausen oder dem Run aufs Taxi nach Vorstellungsende verschafft?

Dabei müssten auch die Applausfrühflüchter wissen: Es hilft ihnen nichts. Die Open-Air-Plätze auf der kleinen Veranda des Selbstbedienungsrestaurants sind immer schon mit entspannten, zufriedenen und gut versorgten Opernbesuchern besetzt – egal wie früh man kommt. Wie das möglich ist, gehört bis heute zu den ungelösten Mysterien Bayreuths.