Mit den anderen Oscar-Nominierten hat Regisseur Max Zähle bereits zu Mittag gegessen. Jetzt fiebert er der großen Gala am Sonntag entgegen.
Hollywood/Hamburg. Der Smoking, das Hemd und die Fliege liegen bereit – maßgeschneidert von Designer Wolfgang Joop. Inmitten all der anderen Nominierten wird der norddeutsche Regisseur Max Zähle am Sonntag (26. Februar) im Kodak Theatre in Los Angeles Platz nehmen - neben Meryl Streep und Glenn Close, Brad Pitt und George Clooney, Martin Scorsese und Woody Allen. Wie die Hollywoodstars hat Zähle bei der 84. Oscar-Verleihung die große Chance auf die begehrteste Filmtrophäe der Welt. Mit seinem Werk „Raju“ ist der 34-Jährige in der Kategorie Bester nicht-animierter Kurzfilm nominiert.
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„Das ist schon toll, dass wir das alles erleben“, sagt Zähle im dapd-Interview. Einen kleinen Vorgeschmack bekam er beim Mittagessen mit den Oscar-Nominierten vor ein paar Tagen. An einer Tafel mit Streep und Co. zu speisen, sei ein unglaubliches Gefühl gewesen. „Ich war super aufgeregt. Schließlich erlebt man das nicht jeden Tag“, gesteht er. Gefallen habe ihm, dass der Lunch unprätentiös und familiär gewesen sei. „Und dann ist es natürlich eine große Ehre, mit all den Nominierten auf einem Gruppenfoto zu sein.“
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1977 in Hannover geboren, wuchs Zähle in Celle auf. Ein Praktikum bei einer Filmproduktion verschlug ihn nach Hamburg. Dort jobbte er als Kabelträger, Aufnahmeleiter und Cutter, absolvierte an der Hamburg Media School ein Aufbaustudium zum Filmregisseur – mit „Raju“ als Abschlussfilm. Es sei eher eine Entwicklung als ein bestimmter Moment gewesen, in dem er gewusst habe, dass er Regisseur werden wolle. Der Rummel um ihn begann, als er im Juni 2011 mit „Raju“ den Studenten-Oscar in Bronze gewann. „Seitdem passiert sehr viel, es nimmt mich vieles sehr ein – natürlich im Positiven“, sagt der Filmemacher. Der vorläufige Höhepunkt war die Bekanntgabe der Oscar-Nominierung im Januar.
Einen Grund zum Abheben sieht Zähle nicht. „Denn die Academy zahlt schließlich nicht meine Miete. Dafür bin ich selbst verantwortlich“, sagt er. Unverändert bescheiden wohnt er mit seiner Freundin in einer kleinen Wohnung in Hamburg – nahe der Elbe, mit hohen Decken und alten Balken, eigenem Arbeitszimmer und idyllischem Garten. Eine seiner Stärken sei sein kleiner, aber feiner Freundeskreis. „Der passt auf mich auf, dass ich auf dem Boden bleibe. Und dem ist es auch egal, ob ich eine Oscar-Nominierung habe.“
Vielleicht reagiert Zähle genau deshalb so scheinbar gelassen auf den Erfolg von „Raju“. Überrascht hat es ihn dennoch, welche Außenwirkung der Kurzfilm erzielt hat: „Wir haben alles gegeben, um den Film so gut wie möglich zu machen. Dass dann so was Kleines so was Großes werden kann, ist wirklich schön.“
Das 24-minütige Drama erzählt vom illegalen Kinderhandel in Indien. Als ein deutsches Paar (Julia Richter, Wotan Wilke Möhring) in Kalkutta den fünfjährigen Raju adoptieren will, stellt sich heraus, dass das Kind keine Waise ist. Der Junge wurde seinen Eltern weggenommen. Doch Zähle hebt nicht den moralischen Zeigefinger, verurteilt nicht in seinem Werk. „Es geht um illegale Adoption, um die Not von Menschen, die plötzlich kriminell werden, obwohl sie überhaupt keine kriminelle Energien in sich tragen“, erklärt er. Denn Auslandsadoptionen seien nicht wie Kinderprostitution oder Kindersklaverei per se schlecht.
„Aber der Kinderwunsch unseres Paares wird zum Motor für einen riesigen illegalen Weltmarkt. Darin liegt auch die Ambivalenz, das emotional Spannende“, sagt er. Aufopferungsvoll hat Zähle an „Raju“ gearbeitet, so aufopferungsvoll, dass er nach den Dreharbeiten erst einmal zwei Monaten Auszeit brauchte – „von dem ganzen Thema, aber auch von der Produktion. Die Akkus waren leer.“
Inzwischen wieder aufgetankt, arbeitet der 34-Jährige an seinem ersten Langfilm. Viel will er noch nicht verraten, nur soviel: Es wird eine tragische Komödie, die in Hamburg und in Niedersachsen spielt und somit aus dem Genre kommt, in dem er sich zu Hause fühlt.
Doch zunächst wartet die 84. Oscar-Verleihung auf Max Zähle, der Gang über den Roten Teppich an der Seite von Richter, Möhring und seines Kameramanns Sin Huh. Eine Rede für den Fall, dass er den Preis bekomme, werde er nicht vorbereiten. „Es ist wohl nicht verkehrt, sich einen Tag vorher mal Gedanken zu machen, falls es passieren sollte. Mehr aber auch nicht“, sagt Zähle. Er gehe da auch nicht nur hin, um zu gewinnen. „Das wäre schön dumm. Wir gehen dahin, um das alles zu genießen. Schließlich behalten wir auch die Nominierung ein Leben lang.“