12.000 Fans feierten Jan Delay in der Color-Line-Arena. Und im August kommt der Chefstyler zum Dockville-Festival in Wilhelmsburg.
Hamburg. Wenn Hamburger Popkünstler auf Tournee gehen, setzen sie Konzerte in der Heimatstadt oft als Schlusspunkt. Als eigene Belohnung nach strapaziösen Wochen im Tourbus, aber auch aus dem Gefühl heraus, das jeweilige neue Programm für die hiesigen Fans perfekt draufzuhaben. Das ist bei Jan Delay nicht anders. "Heute spielen wir zu Hause", ruft er in die fast ausverkaufte Color-Line-Arena, und es klingt wie ein "Endlich! Endlich sind wir wieder zurück!" In den nächsten zweieinviertel Stunden läuft in der Arena nicht nur ein Konzert ab, es ist ein überwältigendes Bekenntnis zu Hamburg und eine Form von Lokalpatriotismus, die jeden der 12 000 Fans mitnimmt. "Wir sind Hamburg", lautet die Botschaft, "und wir sind cool."
Delay, selbst ernannter Chefstyler, trägt weißen Anzug, weißen Bowler, weiße Krawatte und magentafarbenes Hemd. Ein schniekes Outfit, nachempfunden seinen US-Vorbildern wie Earth, Wind & Fire, Nile Rodgers oder Johnny "Guitar" Watson. Hip-Hop, Turnschuhe und weite Baggy-Hosen waren gestern, Delay bewegt sich nun schon im vierten Jahr im Kosmos der Funk-Musik. Und der zeigt sich nicht nur äußerlich chic. Der Entertainer aus Eimsbüttel beherrscht diesen lässigen afro-amerikanischen Groove, jede seiner Bewegungen ist eleganter Rhythmus. Passend dazu singt er vom "Showgeschäft". Seine siebenköpfige Band und die drei Background-Sängerinnen unterstützen ihn mit knallhartem Funk-Sound. Die Fans winken dazu mit den Armen, vom ersten Ton an bereit, ihrem Idol zu folgen.
+++ Deutschlands schärfste Musikkritiker im abendblatt.de-Blog waren auch dabei +++
Konzerte mit Delay und seiner Band Disko No. 1 sind nicht nur eine Abfolge von Songs, auch viele kollektive Tanzbewegungen und Mitmachspielchen gehören zur Show. Das hat etwas von Kindergeburtstagen, doch bei Delay lässt sich der 16-jährige Teenie genauso darauf ein wie sein 50 Jahre alter Vater. Zum Beat von MC Hammers "U Can't Touch This" gibt's Stopptanz mit der Ermahnung "Wer sich bewegt, muss die Elbphilharmonie alleine zu Ende bauen"; zu "Abschussball" müssen Geräusche imitiert werden. Delay schafft es sogar, dass die ganze Halle sich auf sein Fingerschnipsen hin im Sprung um 180 Grad dreht und er auf 12 000 Rücken sehen kann. Leicht infantil, dennoch lustig.
"Dies ist der schönste Tag meines Lebens", sagt der Zeremonienmeister gleich zweimal an diesem Abend. Nie zuvor ist Delay in der Color-Line-Arena als Headliner aufgetreten. Im vergangenen Sommer hatte er noch ein bisschen Bammel, ob er es schaffen würde, die riesige Halle zu füllen. Doch der Traum ist in Erfüllung gegangen. Delay hat das Publikum in der Hand, selbst im Oberrang hält es niemanden auf den Sitzen, jeder scheint nur auf das nächste "Hamburg!" zu warten, das Kommando, mit dem die nächste Mitmachaufforderung beginnt.
Delay zeigt sich überwältigt und schlägt in seinem Überschwang eine Color-Line-WG vor: "Lasst uns einfach die nächsten zwei bis drei Jahre alle hierbleiben. Wir gehen nicht mehr raus und raven. Dann gibt's hier auch keinen 'Ben Hur' mehr." Songs wie "Oh Jonny", "Feuer" und "Klar" werden zur kollektiven Raserei.
Wer von solch einer Euphorie getragen wird, wie Delay bei diesem Heimspiel, kann sich sogar erlauben, Unpopuläres zu sagen. Der Hass der HSV-Fans auf Werder Bremen gehe ihm auf den Senkel. Dafür erntet er Pfiffe. Als er dann die Fußball-Hymne "Hamburg meine Perle" dirigiert, singen zumindest die HSV-Fans mit, ohne die Ironie verstanden zu haben. Die Stimmung dämpft das keineswegs.
Ganz im Gegenteil. Udo Lindenberg lässt es sich nicht nehmen, im ersten von zwei Zugabenblöcken mit Delay zusammen "Ganz anders " zu singen. Auch anderen Kumpels aus gemeinsamen Hip-Hop-Tagen erweist Jan Delay die Ehre: Das Bo gibt zusammen mit dem Beginner-DJ Mad den Anheizer und rappt das berühmte "'türlich, 'türlich, sicher Digger" gemeinsam mit Jan; Deichkind erweist Delay seine Referenz, indem er "Yippie Yippie Yeah" covert, und auch Samy Deluxe wird erwähnt. Für Jan Delay ist Hamburg nicht die Stadt berühmter Reeder oder Komponisten, sondern "die Geburtsstadt von Samy Deluxe. Deshalb wird hier gerappt!"
Bei der Vorstellung von Disko No. 1 musste jedes Bandmitglied einen kurzen Rap zum Besten geben. Das Thema war klar: Hamburg. Zu Hause. Am schönsten Tag in Jan Delays Leben. Und definitiv an einem der besseren auch für all jene, die dieses Konzert nicht verpasst haben. Die nächte Möglichkeit, Jan Delay live in Hamburg zu sehen, gibt es bereits im Hochsommer: Beim Dockville-Festival (13. bis 15. August, Karten bis 9.5. zu 49 Euro im Vorverkauf) in Wilhelmsburg wird der Funkbrother vom Bahnhof Soul einer der Headliner sein.