Der Regisseur spricht über das “Wuselland“ Kambodscha und die Liebe. Am Dienstag feiert sein Film Premiere in Hamburg.
Hamburg. "Same same but different", hört der Asien-Tourist in Thailand, Kambodscha oder Vietnam, wenn ihm die eifrigen Straßenhändler ihre fast echte Markenware andrehen wollen.
Als Titel des neuen Kinofilms von Detlev Buck könnte man ihn als augenzwinkernde Reminiszenz an seinen ersten großen Erfolg verstehen: "Wir können auch anders". Das gilt auch für Bucks neue Regiearbeit, die Verfilmung der wahren Liebesgeschichte zwischen dem jungen deutschen Backpacker Benjamin Prüfer und dem HIV-positiven Bargirl Sreykeo. Es ist eine außergewöhnliche Liebe, die Prüfer in seinem Buch "Wohin du auch gehst" aufgeschrieben hat und für die Detlev Buck sehr schöne und überraschend unschrullige Bilder findet. Buck, den liebevolle Spötter einst als "Kuh-Regisseur" einordneten, offenbart hier auch sein Faible für Elefanten, gedreht wurde in Phnom Penh und Hamburg.
Hamburger Abendblatt: "Mir hat so eine Geschichte gefehlt", haben Sie über "Same Same But Different" gesagt, "auch für mich selbst." Was war es, das Ihnen fehlte?
Detlev Buck: Eine Liebesgeschichte, aus der ich anders rauskomme, als ich reingegangen bin. Ausgehend von dem Magic Moment, der im Film von Olli Dittrich erzählt wird: Ein Mädchen steuert in einer Disco auf einen Mann zu und sagt: Ich hätte gern mal einen Sekt - das ist die Kennlerngeschichte meiner Eltern.
Abendblatt: Bei Benjamin Prüfer gibt es eine parallele Szene: Sreykeo geht in einer Disco zu Ben und legt ihren Kopf an seine Schulter.
Buck: Genau. Mich hat berührt, dass sich so etwas immer wieder zutragen kann. Meistens wissen die Frauen ja eher als die Männer, was sie wollen. Sie gehen da rein mit dem Ziel: Den will ich jetzt. Meine Mutter damals und Sreykeo in Phnom Penh. Und schon ist alles anders. Ein Moment, an dem sich alles dreht. Das ist auch an Asien so spannend, alles verändert sich immer. Ich habe das Buch von Benjamin gelesen, nachdem ich in Vietnam war. Auch so ein Wuselland.
Abendblatt: Wo es schon ein Abenteuer ist, nur die Straße zu überqueren ...
Buck: Ja! In Kambodscha auch. Da tatsächlich auf der Straße zu drehen ging gar nicht. Den Verkehr mussten wir nachinszenieren.
Abendblatt: Sie mögen eigentlich keine Menschenmassen. Die sind in Kambodscha aber schwer zu vermeiden, oder?
Buck: Da macht mir das komischerweise nicht so viel aus. Ich mag keine Menschenmassen, die zum Beispiel alle einen Song singen. Gleichzeitig. Auch wenn die alle "Peace" singen würden. Peace! Peace! Peace! Ja, ist ja gut, denk ich dann. Aber in Kambodscha, wo ich die Sprache nicht verstehe, bin ich ein Fremder, der da so durchschwimmt.
Abendblatt: Was haben Sie bei dieser Arbeit über die Liebe gelernt?
Buck: Wie bereit man sein kann, miteinander durch Krisen zu kommen. Solche Dinge. Diesen Film hätte ich wohl mit 25 noch nicht machen können.
Abendblatt: Warum nicht?
Buck: Ich hab mich mal mit dem Regisseur Peter Pewas über die Liebe unterhalten und der hat gesagt: Jeder Mann will in seinem Leben eine Frau retten. Und ich hab gesagt: Nee, das ist mir zu kitschig. Und jetzt habe ich diesen Film gemacht. Und vielleicht ist er auch kitschig. Aber die Realität ist doch auch manchmal so.
Abendblatt: Liebe ist vielleicht einfach kitschig.
Buck: Ja, und ich liebe Kitsch auch! Ich liebe guten Kitsch. Dagegen ist gar nichts zu sagen. Und ich habe ein Bewusstsein entwickelt für das, was man hat. Man denkt ja immer, man hat unendlich Zeit. Aber das ist Quatsch. Wenn einem die Endlichkeit bewusst ist, nimmt man den anderen vielleicht einmal mehr in den Arm als sonst. Benjamin und Sreykeo haben dieses Bewusstsein sehr stark. Vielleicht hat mich deshalb auch die Verbindung zu meinen Eltern so berührt. Meine Mutter ist gestorben, als meine Eltern dachten, sie könnten noch so viel zusammen machen. Sie haben es einfach nicht mehr geschafft. Und ruckzuck bin ich mit meiner Freundin auch schon 25 Jahre zusammen. Man geht nicht aufmerksam genug mit der Zeit um.
Abendblatt: Haben diese Dreharbeiten Sie als Mensch verändert?
Buck: Das Land macht weicher. Ich bin jetzt kein Buddhist - man soll sich ja nicht alles in einem Leben vornehmen. Aber es ist ideal für Menschen, die gestresst oder depressiv sind. In Kambodscha ist Europa ganz weit weg. Diese westliche Hysterie - wer bin ich, wo stehe ich - ist dort scheißegal.
Abendblatt: Ich hätte unterstellt, dass Sie von Natur aus ohnehin nicht der hysterische Typ sind.
Buck: Das täuscht. Ich wirke außen nordisch-ruhig, bin aber innen sehr nervös. Sonst könnte ich meinen Beruf gar nicht machen. Kürzlich hatte ich zum ersten Mal Panikattacken. Also, ich bin schon eher ein unruhiger Typ.
Abendblatt: Woher kommen solche Panikattacken?
Buck: Das hatte sicher zu tun mit Stress. Wenn man das mal analysiert, sagt man sich ja selbst: Komm mal runter. Das ist ja alles sehr irrational. Aber so etwas kommt in unserer Gesellschaft immer mehr vor, das hat auch mit dem Anspruch an uns selbst zu tun. Dieses dauernde Sich-Vergleichen mit anderen. Das findest du in Asien nicht.
Abendblatt: Sie gehören zu den erfolgreichsten deutschen Regisseuren, man traut Ihnen solches Grübeln gar nicht so zu.
Buck: Na ja, ich mach einfach so viel. Also, durcheinander. Das macht manchmal nervös. In Asien geht's ja auch. Obwohl es dort in den Straßen so hektisch ist. Das ist der Punkt: In den Straßen ja, in den Menschen eben nicht. Und ich mag es, wenn ich beim Reisen nah an den Menschen bin. Diese Urlaubmacherei in abgeschiedenen Resorts kann ich nicht so haben. Alles, was du da hörst, ist die Klimaanlage. Das finde ich skurril.
Abendblatt: Sind Sie mal als Backpacker gereist?
Buck: Nein. Vielleicht wollte ich den Film auch deshalb machen. Das hat ja oft auch groteske Züge. Bei der Recherche habe ich eine Australierin kennengelernt, die geweint hat, weil sie schon so lange unterwegs war und sie hat immer von Jerry erzählt, Jerry, Jerry, back home, hat sie gesagt und dass sie nicht mit ihm telefonieren könne, dann fummelte sie ein Foto aus ihrer Tasche und weinte immer noch, Jerry, Jerry - und schließlich war mir klar, warum sie ihn schlecht anrufen konnte: Jerry war ein Hund. In Kambodscha gibt's wirklich andere Sorgen. Da treffen westliche Neurosen auf ganz konkrete Probleme. Der Kontrast ist manchmal sehr absurd - und oft auch lustig.
Abendblatt: Sie machen - Sie haben es vorhin gesagt - sehr viele Dinge gleichzeitig: Sie drehen nicht nur fürs Kino, sondern auch Werbung ...
Buck: Ja, gerade mit Jogi Löw für Nivea.
Abendblatt: Ist das eine Art Fingerübung für die Kinoarbeit? Entspannung für die Langstrecke?
Buck: Das kann man so sagen. Das ist wie beim Fußballer das Lauftraining. Das muss man auch ernst nehmen. Man muss auch die Werbung ernst nehmen. Ohne Schweiß kein Preis. Und trotzdem braucht man ja eine Naivität zum Filmemachen. Diese Frische darf nicht wegfallen. Ich will gar nicht der welterfolgreichste Regisseur sein. Diese Auskenner, die immer Bescheid wissen, die finde ich persönlich ja langweilig.
Abendblatt: Waren Sie im Laufe Ihrer Karriere nie in Gefahr, zum Auskenner zu werden?
Buck: Nee. Ich plane als Nächstes Daniel Kehlmanns "Die Vermessung der Welt" - und alle sagen: Das geht ja gar nicht zu verfilmen. Und ich denke: Ich will es aber trotzdem versuchen. Keine Ahnung, wie! Jetzt schreibt Daniel Nocke das Drehbuch und ich fummel da auch mit rum. Ein Film bleibt ja eh labil, bis man ihn fertig mischt.
Abendblatt: Fällt es Ihnen danach leicht loszulassen? Zu sagen: Jetzt ist der Film wirklich fertig?
Buck: Ich mag schnelle Entscheidungen. (lacht) Und die revidier ich dann. Ein bestimmtes Gefühl lässt sich ja nicht ewig aufrechterhalten, genau wie sich der Zustand der Liebe nicht immer gleich halten lässt. Man muss ja auch mal wohin.