Keine Pressevorführungen im Vorfeld bedeuten keine schlechten Kritiken, so die Logik von Til Schweiger. Auch sein neuer Film steckt voller Beziehungsknatsch.

Berlin. Til Schweigers romantische Komödie „Zweiohrküken“ beginnt mit einer Überraschung: Wir erblicken Düsenjäger beim Manöver, die sich gegenseitig umschwirren und wohl an „Top Gun“ erinnern sollen. Oder, obwohl diese Assoziation keinem Schweiger-Fan kommen wird, an Josef von Sternbergs „Jet Pilot“, wo sich die von John Wayne und Janet Leigh gesteuerten Maschinen verliebt umschmeicheln.

Der Gedanke erweist sich als gar nicht so weit hergeholt, entsteigt einem der Jäger doch Nora Tschirner, die am Ende von „Keinohrhasen“ Hand in Hand mit Til in den Sonnenuntergang schritt. Jetzt betont sie erst mal, wie selbstständig sie ist – um dann schnell zum wichtigsten Punkt zu kommen: Anna liebt ihren Freund Ludo, ist überhaupt nicht eifersüchtig, hält ihn im Bett für eine Kanone und hat sich – extra für die Fortsetzung – die Brüste auf Doppel-D vergrößern lassen. Zum Beweis lässt Nora 2.0 sie stolz aus ihrer Fliegermontur hüpfen.

Es ist eine Sequenz, die von der Potenz des anfangs noch unsichtbaren Tilman Valentin Schweiger kündet. Der Überschallpower einsetzt, die schönste Pilotin Deutschlands in Bann schlägt, mit dem Originalfilm sechs Millionen ins Kino lockte. Und sich auf dem Kriegspfad gegen die Kritiker befindet. Einige von denen, ließ er verlauten, „gehen mir mächtig auf den Sack“. Praktisch alle Filme, die ins Kino kommen, werden ihnen vorher gezeigt; woher sollten sonst die Besprechungen kommen. Schweiger aber hält seine Werke bis zum Kinostart unter Verschluss, sein Verleih Warner lässt ihn gewähren.

Schweiger macht sich seine Welt, wie sie ihm gefällt. Er arbeitet daran seit dem „One Way“-Debakel vor drei Jahren. Dies wird wenigen etwas sagen – und just das ist der Punkt. „One Way“, ein Drama um eine Frau, die sich an ihren Vergewaltigern rächt, war Til ein Herzensding. Und teuer für eine deutsche Produktion, 7,2 Millionen Euro, und als kurz vor Drehbeginn ein Investor absprang, blieben nur 72 Stunden, um das plötzlich fehlende Viertel aufzutreiben.

In ihrer Verzweiflung düsten Schweiger und sein Produzent Tom Zickler gar ins österreichische Kitzbühel, wo angeblich ein Scheich jetsettete, und feierten eine Nacht mit ihm durch – um am Morgen zu erfahren, dass sich dieser „Scheich“ nicht auf „reich“ reimte, weil er von seiner Sippe verstoßen worden war und lediglich eine kleine Apanage erhielt.

Das Geld fand sich trotzdem, aber die Kritiken waren – höflich umschrieben – gemischt. Sie reichten von „Die Stärken sind die verblüffenden Verwendungen und die ambivalente Charakterzeichnung der Hauptfigur“ („Tagesspiegel“) über „Als Thriller zu unspannend, als Gesellschaftskritik zu fade“ („Welt“) bis zu „Lustlos dirigierte Chargenriege, geschraubte Dialoge“ („B.Z.“). Ab 800 000 Zahlenden hätte „One Way“ Gewinn gemacht, nur 200 000 kamen, und Til Schweiger beschloss, die Schuldigen zu strafen: in Zukunft keine Pressevorführungen mehr und – hoffentlich – keine Kritiken.

Seitdem herrscht Beziehungsknatsch, wie zwischen Ludo und Anna. Der wird durch zwei Neuzugänge aufgelockert: Erst tritt Marie (Edita Malovic), eine üppig gebaute Ex-Flamme Ludos, wieder in das Leben des Ex-Schwerenöters; dann erhält Anna Besuch vom Studienkollegen und Ex-Liebhaber Ralf (Ken Duken). „Es geht auch ohne dich“, signalisieren Anna und Ludo einander trotzig.

Das gleiche Signal sendet Schweiger der Kritik und behandelt sie ungefähr wie dieses Zweiohrküken, das sich aufs iPhone laden lässt: „Du kannst es hochheben und wieder fallen lassen“, frohlockt die Anleitung. „Du kannst es schütteln, werfen und um deinen Finger wirbeln.“ Nun gibt es Medien, die sich tatsächlich zweiohrküken lassen. Ein Nachrichtenmagazin im Süden durfte den Film unter 100 kreischenden Fans genießen, ein anderes im Norden – Teile und herrsche! – blieb ausgesperrt, führte aber trotzdem ein Schweiger-Interview.

Ein Fernsehsender im Norden bekam für ein Tschirner- Interview ein paar Minuten zu Gesicht, eine Redaktion im Süden plante eine kükenlose Sendung, wurde aber von ihren Chefs („Ihr könnt einen Schweiger doch nicht ignorieren!“) zum Gegenteil gezwungen; ohne Ansicht, wohlgemerkt. Freundliche Kritiker, von denen keine Widerworte zu erwarten sind, erhalten auch mal eine Einladung zu einer „Family & Friends“-Vorführung.

Der Schweiger jedenfalls, der vor einem Vierteljahrhundert am Gießener Stadttheater im „Sängerkrieg der Heidehasen“ debütierte, den Keinohrhasen erfand, sich für einen Schlitzohrhasen hält und wie ein Angstohrhase benimmt, könnte in Sachen Kritikfähigkeit Ludo zu Rate ziehen. Der gesteht der entzweiten Anna, dass er gern mit ihr alt werden und Enten füttern würde – was mit einer romantischen Kutterfahrt in den Sonnenuntergang endet. Der Kritik würde nächstes Mal schon eine Pressevorführung von „Quietschohrenten“ reichen.