Intendant John Neumeier feierte das 20-jährige Jubiläum seines Ballettzentrums mit einer “Werkstatt“, die in Wirklichkeit eine Gala war.
Hamburg. Die Erinnerung an die Kämpfe, Zurückweisungen, an die ganze leidvolle Entstehungsgeschichte seines Ballettzentrums ist in John Neumeier auch heute noch unvermindert stark. In der Staatsoper brach er in Tränen aus, als er noch einmal von der erlösenden Nachricht durch Hamburgs damalige Kultursenatorin Helga Schuchardt erzählte, „der Bau ist durch.“ Das war 1985.
Jetzt konnte der Ballettintendant das 20-jährige Jubiläum seiner Kaderschmiede begehen mit einer Ballett-Werkstatt am Abend, die in Wirklichkeit eine kleine Gala war. Denn Neumeier hatte fünf international renommierte Ballettschulen eingeladen, das Fest mit ihm und seinem Ballettzentrum gemeinsam auf der Bühne zu feiern.
Die Ballettschule des Hamburg Ballett eröffnete als Gastgeberin den Tanzreigen mit Kevin Haigens Choreographie „Jubiläumstänze“ und bewies einmal mehr, welch hohen Ausbildungsstand das Ballettzentrum garantiert. Dass es alles vermittelt, was Tänzer wissen und können müssen, um im Berufsalltag zu bestehen. Beinahe mit der Präzision von Chorus Line präsentierten sich die Schüler der Ausbildungs- und Theaterklassen in den verschiedensten Variationen und Schwierigkeitsgraden. Beachtlich. Aber wo blieb der Spaß?
Von Canada’s National Ballett School aus Toronto war ein junges Paar entsandt worden, um einen Pas de deux aus Peter Tschaikowskys „Schwanensee“ sehr sauber, sehr elegant und erstaunlich reif zu tanzen. Wo aber blieb das jugendliche Feuer, die auch im Korsett des klassischen Kanons mögliche individuelle tänzerische Ausdruckskraft?
Dasselbe fragten wir uns bei der sehr noblen Präsentation von Schülern der L’Ecole de Danse de l’Opéra National de Paris, der ältesten, 1713 gegründeten Ballettschule der Welt. „Péchés de Jeunesse“, Jugendsünden, nennt sich das Werk für acht Tänzerinnen und Tänzer, die weit davon entfernt waren, solche zu begehen.
Endlich aber durchbrachen dreizehn junge Leute lustvoll anarchisch, nichts desto weniger technisch hoch diszipliniert, den äußerst gepflegten Rahmen der Gala und zeigten genau das, was wir uns gewünscht hatten: Tanz in allen Facetten vom HipHop bis in die Klassik frech gemixt. Sie hatten sichtlich Spaß an dem, was sie taten. Das kam spontan rüber. Der Beifall war enorm für die Kompagni B, die Jugendcompagnie der Kongelige Teaters balletskoler Kopenhagen.
Auch Daniel Camargo aus Stuttgart wusste mit einem sehr starken Auftritt zu begeistern. Von Uwe Scholz stammen die „Notations I-IV auf Pierre Boulez’ Musik. Klasse. Der Bann war gebrochen. Selbst im klassischen Pas de deux zweier sehr feiner Tänzer der Royal Ballet School London war die Stärke individueller Tanzpersönlichkeiten zu sehen. Großartig.
Dass sich der arriviertere Nachwuchs des Ballettzentrums neben der Konkurrenz persönlichkeitsstark behaupten kann, bewiesen jene acht jungen Tänzer, die frisch der Schule entschlüpft, in der Compagnie tanzen. Choreographien von John Neumeier zu Gustav Mahlers Musik mit den beiden Ersten Solisten Anna Polikarpova und Ivan Urban als sichtbarer Beleg, wie weit man es bringen kann, rundeten den dann doch kraftvoll lebendigen Abend ab.