Islam und westliche Kunst - bei der Neugestaltung der Türme der Zentrumsmoschee durch Künstler Boran Burchhardt harmoniert das sehr gut.
Hamburg. Ein Hamburger Künstler verwandelt die große Moschee in St. Georg in ein Kunstobjekt und verziert deren Minarette mit Fußballsymbolen. Die Meldung klingt, als stehe der islamischen Gemeinde eine mittelschwere Kulturrevolution ins Haus. Weiß man doch, dass es andernorts zwischen westlichen Künstlern und islamischen Gläubigen immer mal wieder zu, sagen wir mal, Missverständnissen gekommen ist. Doch von Missverständnissen kann diesmal keine Rede sein, zwischen dem Künstler Boran Burchhardt und der islamischen Gemeinde der Hamburger Zentrumsmoschee herrscht schönstes Einvernehmen.
"Darf ich Ihr Minarett bemalen?", mit dieser Frage hatte sich Boran Burchhardt 2007 tatsächlich an Ramazan Ucar, den Imam und Ersten Vorsitzenden der Gemeinde, gewandt. Burchhardt (Jahrgang 1973) gehörte damals zu einer Gruppe von zehn Künstlern, die in der Gegend um den Steindamm Projekte verwirklichen wollten, die sich mit dem Stadtraum auseinandersetzen. Dass aus der Minarett-Idee tatsächlich etwas werden könnte, daran hatte Burchhardt damals selbst nicht recht geglaubt. Doch der Imam hörte ihm interessiert zu und fragte schließlich, warum er nicht alle beiden Minarette bemalen wolle.
Natürlich hatte Ucar das nicht allein zu entscheiden, und es blieb auch nicht bei Burchhardts ursprünglicher Idee. Eigentlich hatte er das Minarett nur weiß streichen wollen, es ging ihm um den Gestus des Tuns als künstlerisches Projekt. Als er bei einem Gespräch mit dem Gemeindevorstand eine Mappe mit eigenen Arbeiten zeigte, fanden die Auftraggeber seine ornamentalen Motive interessant. Schließlich einigte man sich auf ein Sechseck in Grün und Weiß, das beide Türme überziehen sollte.
Westliche Betrachter assoziieren mit dem Hexagon sofort ein Fußballsymbol. Am Turm des Michel wäre das schwer vorstellbar, noch dazu in Grün-Weiß, den Farben von Werder Bremen. Die islamische Gemeinde sieht das sehr viel lockerer. "Dass das Ornament an Fußball erinnert, nehmen wir billigend in Kauf", meint Ahmet Yazici, der Zweite Vorsitzende der Gemeinde. Und der Iman fügt hinzu, dass Grün und Weiß die Farben des Fußballvereins seiner Heimatstadt Giresun sind. "Vor allem aber ist Grün die Lieblingsfarbe des Propheten", sagt Ucar, der mit dem Hexagon auch noch ganz andere Assoziationen verbindet: "Es erinnert mich an Waben. Wie Bienen Honig produzieren, sollen auch unsere Imame mit ihren Worten Honig hervorbringen."
Boran Burchhardt gefällt das. Der Künstler, der seinen türkischen Vater kaum kennt und evangelisch erzogen wurde, ist inzwischen mit einigen Helfern dabei, die beiden abmontierten Minarette in einer ehemaligen Kaserne in Fischbek zu bemalen. Dorthin mussten die aus Schiffsstahl hergestellten 20 Meter hohen Metalltürme transportiert werden. "Die Zentrumsmoschee ist längst in unserer Gesellschaft angekommen, es wird nur kaum wahrgenommen", sagt Burchhardt, der mit seiner Aktion dazu beitragen möchte, dass die Mosche "nicht als Ort der Aggression, sondern der Offenheit" wahrgenommen wird. Berührungsängste mit westlicher Kunst haben Hamburgs islamische Gemeinden schon früher nicht gehabt. Dass Gregor Schneiders 2007 an der Galerie der Gegenwart aufgestellte Kunst-Kubus an die Kaaba in Mekka erinnert, hat Hamburgs Imame nicht im Mindesten gestört. Im Juni 2006 kamen sogar 15 Geistliche nach dem Freitagsgebet in die Kunsthalle, um sich durch die Ausstellung "Parcours: Bilder vom Orient" führen zu lassen. "Allerdings sagen diese Bilder wohl mehr über Europa als über den Orient", sagte damals Ahmet Yazici. Mit der Aufregung über die Fußballsymbole an den Minaretten könnte es ähnlich sein.
Am Sonntagvormittag bringen Schwertransporter die in Kunstwerke verwandelten Minarette nach St. Georg zurück. Wenn sie dann ein Kran an ihren angestammten Platz hievt, wird man das sogar in Ostanatolien verfolgen können. Dafür sorgt das türkische Staatsfernsehen.