Nach einigen Flops ist dem kleinen Mann mit der Hornbrille im neuen Film ein großer Wurf gelungen.

Wer hätte erwartet, dass Woody Allen nach seinem pessimistischen Drama "Cassandra's Dream" zur neuen Leichtigkeit finden würde? Nachdem er den Londoner Schauplatz gegen das mediterrane Flair Barcelonas getauscht hat, ist der Stadtneurotiker wie verwandelt. Er erzählt die Dreiecksgeschichte von "Vicky Cristina Barcelona" zwischen zwei Touristinnen (Rebecca Hall und Scarlett Johansson) und einem malenden Bilderbuch-Macho (Javier Bardem) als Kampf von Sinn und Sinnlichkeit und heizt den Reigen durch die eifersüchtige Ex-Frau des Künstlers (Penelope Cruz) auf.


Hamburger Abendblatt:

Hat Sie der Schauplatz Barcelona zu der erotischen Stimmung des Films inspiriert?

Woody Allen:

Nein, das lag eben im Wesen dieser Dreiecksgeschichte. Ich hatte anfangs keine genauen Pläne. Wenn es für die Aussage des Films nötig gewesen wäre, eindeutige Sexszenen zu zeigen, dann hätte ich sie auch gedreht. Ich kenne keine falsche Scham. In diesem Fall aber reichte mir diese erotische Spannung.



Abendblatt:

Welche Idee des Künstlers verkörpert Javier Bardem in Ihrem Film?

Allen:

Die Gesellschaft nimmt zu viel Rücksicht auf Künstler. Sie werden bemuttert und weich gewickelt. Dass Künstler selbstsüchtig sein müssen, ist mittlerweile zu ihrem Markenzeichen geworden. Wenn ein Künstler jemanden ersticht, wird er als leidenschaftlicher Mensch verehrt. Ich halte diese Sicht für Blödsinn. Lehrer, aber auch Ärzte bekommen für ihre wichtige Arbeit kaum Geld, während man Schauspielern 20 Millionen Dollar zahlt, damit sie Autos zu Schrott zu fahren!



Abendblatt:

Wie gehen Sie mit Starallüren um?

Allen:

Es ist schon hart genug, einen Film zu machen, wenn alle zusammenarbeiten. Wenn aber Schauspieler ihre Launen auf dem Set ausleben und Extrawünsche haben, wird das Drehen zum Albtraum. Um Diven mache ich einen großen Bogen und habe bisher in meinen Filmen Glück gehabt.



Abendblatt:

Sind Scarlett Johansson und Penelope Cruz auch ein Glücksfall für Sie?

Allen:

Ja, denn sie waren nicht eifersüchtig aufeinander, sondern hatten ein sehr herzliches Verhältnis. Ich brauche beim Drehen eine entspannte Atmosphäre.


Abendblatt:

Wollten Sie Penelope Cruz als eifersüchtige Exfrau in einer an Almodóvar erinnernden Rolle besetzen?

Allen:

Ich habe Penelope Cruz als Schauspielerin in "Volver" von Almodóvar als wunderschöne, charismatische und starke Schauspielerin entdeckt. Vorher kannte ich sie nur aus der Zeitung - als hübsches Mädchen an der Seite von Tom Cruise. Ich habe die Rolle dann für sie geschrieben, und heute ist mir klar, dass nur Penelope sie spielen kann.



Abendblatt:

Wird Penelope Cruz jetzt Ihre neue Muse?

Allen:

Ich will wieder mit ihr arbeiten, weil sie eine so provokante Schauspielerin ist, dass man als Regisseur Geschichten für sie erfinden will. Sie kann jeden Stoff umsetzen. Ich hatte so viel Vertrauen in Javier Bardem und Penelope Cruz, dass ich sie sogar auf Spanisch improvisieren ließ, obwohl ich kein Wort verstanden habe. Beide schafften es, dass ihre improvisierten Dialoge so wirkten, als hätte ich sie geschrieben!



Abendblatt:

War Ihnen klar, wie die Liebeszene zwischen Scarlett Johansson und Penelope Cruz in der Dunkelkammer auszusehen hatte?

Allen:

Ja, aber als es dann so weit war, lief alles sehr unromantisch und professionell ab. Sie küssten sich und machten dann Mittagspause. Liebeszenen zu drehen ist wirklich keine prickelnde Erfahrung - alle tun bloß so "als ob". Trotzdem finde ich es angenehm, eine solche Szene später auf der Leinwand zu sehen. Diese beiden Frauen sind so wunderschön, dass man ihnen ständig zuschauen will - egal ob sie eine Zigarette rauchen oder etwas in den Mülleimer werfen!



Abendblatt:

Werden Sie nach vier europäischen Filmen jetzt zurück in New York eine andere Richtung einschlagen?

Allen:

Nein, denn ich habe mich schon immer von europäischen Filmen beeinflussen lassen und hatte von Anfang an mehr europäische als amerikanische Zuschauer. Auch dieser Film wird nur einen kleinen Teil des amerikanischen Publikums interessieren. Ich bin eben kein Moneymaker.



Abendblatt:

Ist diese Liebeskomödie eine Reaktion auf den Misserfolg von "Cassandra's Dream"?

Allen:

"Cassandra's Dream" ist ein besserer Film als "Vicky Cristina Barcelona" - aber nicht so publikumswirksam, sondern düster und hart. Man kann Erfolg oder Misserfolg eines Films nie voraussagen.