Kommentar

Natürlich kann man sich darüber aufregen, dass ein übler Antisemit wie Hans Pfitzner am Tag der Deutschen Einheit aufgeführt wird. Ingo Metzmacher, Hamburgs Ex-Generalmusikdirektor, hat den Tabubruch gewagt, wurde in Berlins Philharmonie umjubelt, aus dem Zentralrat der Juden in Deutschland dafür kritisiert. Für beides gilt: gut so.

Pfitzner machte nie einen Hehl aus seiner Gesinnung. Er lieferte eine Huldigungskomposition für den "Polenschlächter" Hans Frank und schickte ihm sogar einen Trostbrief in die Nürnberger Gefängniszelle. Pfitzners Verblendung bediente sich bei Wagners Hetzschrift über das "Judentum in der Musik". Wagner wurde inzwischen von dem jüdischen Dirigenten Daniel Barenboim in Israel aufgeführt, trotz heftiger Proteste, in Bayreuth erklingt Wagner jeden Sommer. Pfitzners Überzeugung darf man nicht gutheißen, man muss die Musik nicht mögen. Doch wenn man ihn als Aufforderung zum kritischen Nachdenken spielt, dann gibt es kein geeigneteres Datum als den 3. Oktober und keinen besseren Ort als Berlin. Metzmacher hat dort Rückgrat bewiesen. Wieder mal. Denn mit derselben Konsequenz hat er sich zuvor für Verfemte wie Schreker oder Zimmermann eingesetzt. Jede Musik ist politisch, schrieb Metzmachers Vorbild Luigi Nono. Jedem Musiker muss das bewusst sein. Erst recht, wenn er Deutscher ist. Metzmacher hat erkannt, dass man sich über diesen Abend aufregen muss. Sonst hilft es nicht.