ABENDBLATT: Ausgerechnet Sie dirigieren am deutschen Nationalfeiertag ausgerechnet Pfitzner, einen Antisemiten, der während der NS-Zeit alles andere als ein Widerständler war. Von links kommen und mit rechts antäuschen heißt das im Fußball, oder?

METZMACHER: Ich glaube, dass Pfitzner eine sehr viel komplexere Persönlichkeit ist. Er war ein Charakter mit sehr großen inneren Widersprüchen, sehr grüblerisch.

ABENDBLATT: Aber das ist jetzt keine Generalamnestie?

METZMACHER: Nein, das steht mir auch gar nicht an. Bislang habe ich um seine Musik immer einen großen Bogen gemacht. Und dann hab ich zufällig etwas Unbekanntes gehört, was mir sehr gefallen hat - seine Orchesterlieder. Manchmal sind Vorurteile, ohne etwas zu kennen, falsch.

ABENDBLATT: Ihre Idee, in Berlin zum 3.10. ein besonderes Konzert zu geben, stammt aus Hamburg.

METZMACHER: Sie wissen ja, dass ich gerne Konzerte mache, die eine Botschaft haben. Um das Thema "Das Deutsche in der Musik" zu initiieren, habe ich für diesen symbolträchtigen Tag ein Stück gewählt, dessen Titel darauf hinweist - "Von deutscher Seele" - und von einem Komponisten wie Pfitzner, von dem man nicht erwartet, dass ich ihn dirigiere.

ABENDBLATT: Eine abstruse Debatte um den "deutschen" Klang der Philharmoniker hat in Berlin kurzfristig hohe Wellen geschlagen. Wollen Sie dieser Debatte weitere Aspekte hinzufügen?

METZMACHER: Es gibt in der deutschen Musik so viele verschiedene Klänge, das ist ja das Spannende. Zerrissen, widersprüchlich, so, wie dieses Land manchmal sein kann und es vor allem im 20. Jahrhundert auch war.

ABENDBLATT: Neben dem "braunen" Pfitzner bringen Sie den "roten" Weill, seinen "Silbersee".

METZMACHER: Pfitzner ist geblieben, er hat sich große Hoffnungen gemacht, die bitter enttäuscht wurden. Weill musste gehen. Der "Silbersee" ist 1933 uraufgeführt und sofort verboten worden. Das ist eben auch ein Teil der deutschen Musikgeschichte, den ich gern zeigen will.