“Ihr seid kleinmütige Provinzler“, tönt es von hüben. “Ihr seid hochmütige Angeber“, schallt es von drüben zurück. Die Deutschen in West und Ost - was sie schon immer einander mal sagen wollten, aber sich nicht trauten. Michael Jürgs, Journalist aus Hamburg, und Angela Elis, Journalistin aus Leipzig, haben stellvertretend für viele in einem neuen Buch miteinander “abgerechnet“. Schonungslos, aber nicht lieblos, frech, aber nicht gehässig - und vor allem unterhaltsam. Zwei Kostproben.

Einer von euch, ehedem Oberst im berüchtigten Ministerium für Staatssicherheit, der im neuen Deutschland Überzeugung und Handfeuerwaffe behalten hatte, langweilte sich in seiner sozialverträglich verrenteten Hängematte in Thüringen. Saufen füllte ihn ab, aber nicht aus. Da es aber vor Ort vorbei war mit Mauer und Todesstreifen, wo er sich hätte abreagieren können, ballerte er auf die Frösche im Teich einer Nachbarin. Sie störten ihn, weil sie quakten.

Sind wahrscheinlich aus den alten Bundesländern eingewandert, denn der Ort dieses Geschehens liegt zwischen Eisenach und Bad Hersfeld. Aus dem Westen waren die Frösche an die Freiheit der Rede gewohnt. Der Scharfschütze schoß die Quäker erst nach Einbruch der Dunkelheit ab, wenn bei ihrer schwerhörigen Herbergsmutter der Fernseher mit Sendungen der euch vertrauten Volksmusik laut aufgedreht war, benutzte aber sicherheitshalber einen Schalldämpfer.

Sein hinterlistiges Treiben wäre nie herausgekommen, hätte er stets getroffen. Da aber auch in der Zone nachts alle Frösche grau sind und der Genosse Oberst oft blau war, ging mancher Schuß daneben. Irgendwann sah sich seine Nachbarin deshalb gezwungen, der Sache auf den Grund zu gehen, denn ihr künstlicher Teich, den sie übers Jahr selbst angelegt hatte, war ausgelaufen. Bleiche Froschschenkel lagen auf der schwarzen Plastikhaut, die Boden und Wände des Teiches abdichten sollte. Durch viele Löcher in der Plaste war das Wasser versickert. Der Todesschütze von nebenan, der als Täter schnell ermittelt war, weil er im Suff lauthals mit seiner Leistung prahlte, hatte nicht nur Frösche getroffen.

Die Nachbarn, die sich vor Gericht trafen, waren mal in der gleichen Branche tätig. Da sie Ex-Staatsbedienstete waren, wurden ihre Zusatzrenten aus dem Solidarpakt eins, Überschrift teilungsbedingte Sonderlasten, finanziert. Der war allerdings dafür gedacht, mit solcherart Altlasten aufzuräumen, und nicht dafür, sie materiell aufzurüsten. Mich hat keiner gefragt, ob ich bereit war, mit denen einen solidarischen Pakt zu schließen und von Selbstverdientem ausgerechnet diesen Ostlern was abzugeben. Ich hatte eher den gemeinen Gedanken, alle lebenden Altlasten, die ehemaligen Büttel des Ministeriums für Staatssicherheit, auf Hartz IV zu setzen und dann per Ein-Euro-Jobs zu zwingen, die immer noch vorhandenen toten Altlasten des sozialistischen Systems wegzuräumen von strahlenden Landschaften à la Wismut Aue bis hin zu Bunkern ihrer ehemaligen Armee.

Wir gemeinen Wessis haben es satt, diese Typen solidarisch durchzufüttern, nur weil sie zufällig eine ähnliche Sprache sprechen wie wir. Kaum einer von uns wußte ja so genau, wohin die 105 Milliarden Euro aus dem Solidarpakt eins geflossen waren, wer alles davon profitierte und wo konkret sie versickert sind. Die Geschichte vom Teich der toten Frösche ist charakteristisch für die Zone: Schwarze Löcher sind erst sichtbar, wenn alles zu spät ist.

Die gemeinten Ossis bleiben nicht nur wegen mentaler Befindlichkeiten für viele Jahre Pflegefälle, die wir Tag und Nacht werden versorgen müssen, die am Tropf hängen und stöhnen, die uns keine Ruhe gönnen, sondern mehr noch wegen ihrer raffgierigen Mentalität, die uns Milliarden kostet. Bis tatsächlich die Lebensverhältnisse angeglichen sein werden. Unsere an ihre, nicht ihre an unsere. Was daran liegt, daß sie nachhaltig von unserer Substanz zehren und wir deshalb irgendwann auf ihr seit 1990 gehobenes Niveau gesunken sein werden.

So hatten wir uns das nicht vorgestellt mit der Gleichheit, Brüder und Schwestern. Ihr werdet lästig. Ihr seid unersättlich wie afrikanische Heuschrecken. Ein Vergleich, der hinkt wie manch anderer Ost-West-Vergleich auch. Denn es gibt Unterschiede. Afrikanische Heuschrecken fressen den Eingeborenen die Felder kahl und hinterlassen verdorrte Landschaften. Die ostdeutschen Schrecken lebten in verdorrten Landschaften und fressen uns kahl.