Wessis werden uns den Totschlag ihrer guten alten Bundesrepublik nie verzeihen. So nämlich, als eine Art Totschlag, empfinden inzwischen viele die Wiedervereinigung.

Vorbei die Zeiten, als sie staunten, wie mutig wir Montag für Montag um Freiheit kämpften. Vorbei die euphorische Nacht des Mauerfalls. Vergessen, daß sie begeistert mit uns aus der Flasche mit dem Rotkäppchensekt tranken. Als alles vorbei war, nahmen sie sich noch die eine oder andere Immobilie im Osten, für mehr reichte ihr Atem nicht.

Dabei schoben wir, über zehn Millionen neue Konsumenten, die Konjunktur im Westen kräftig an, weil wir euch vom Videorekorder bis zum Auto alles abkauften. Wir legten weit mehr als das Begrüßungsgeld wieder auf den Tisch. Habt ihr dafür jemals "Danke" gesagt?

Die freche Behauptung, wir hätten seit 1990 an die 1250 Milliarden Euro in den Sand gesetzt, ist eine Milchmädchenrechnung, die außerdem dem Ziel dient, uns in wirtschaftlich schlechten Zeiten zum Sündenbock zu machen. Dabei vermischt ihr die notwendigen Ausgaben des Staates mit Geldern für den Aufbau Ost, mit denen wir eine Infrastruktur geschaffen haben, die Unternehmen wie DHL oder Chiphersteller zu uns lockt und uns Arbeit gibt. Aber auch ihr habt was davon, denn von jedem Transfereuro wandern rund 80 Cent über den Verbrauch von Waren und Dienstleistungen in den Westen zurück. Ganz davon zu schweigen, daß auch wir im Osten Steuern und den Solizuschlag zahlen.

Und was war noch euer Beitrag zur deutschen Einheit? Unserem Osten euer System übergestülpt zu haben mit all seinen unbehandelten Krankheiten wie Rentenlücke, Überregulierung und Bürokratiewahn. Von der Suche nach gemeinsamen Wegen, gar fröhlicher Offenheit für Ungewohntes keine Spur. Das Bunte leuchtet im Westen nur äußerlich. Woran das liegt? Wohl daran, daß schon der kleine Wessi keine so tollen Helden wie Karl-Marx und Ernst Thälmann hatte, er hatte nur Micky Maus, Barbie und Superman oder sah koloniale Eroberungsgeschichten vom Wilden Westen, und so hat er sich dann auch die Übernahme der DDR vorgestellt. Ging doch früher auch gut, dachte der Besser-Wessi und lästert über den Jammer-Ossi, wenn der ein paar Fragen dazu stellt.

Selbstkritik ist ein Merkmal, das der Westler im Zuge der Westevolution verloren hat. Im ständigen Konkurrenzkampf, in dem nur einer der Sieger sein kann, der andere zum Verlierer wird, bleibt keine Zeit dafür.

Nun, da die mit Sonderabschreibungen sanierten Häuser immer weniger Miete abwerfen, entdecken die Wessis kaputte Fahrwege und Bauruinen immer öfter bei sich, haben Soli satt, wollen uns nicht mehr. Mehr noch, nun hätten sie gern die ganze Aufbauhilfe Ost wieder zurück, um sie vor der eigenen Haustür zu investieren.

Daß eine Planwirtschaft, die vom Brötchen bis zum Betriebsferienplatz alles subventioniert, nicht sehr weit kommen kann, das wußten oder ahnten wir. Niemand hat uns aber darauf vorbereitet, wie schwierig es in der Marktwirtschaft werden kann, wenn der Mensch zum Kostenfaktor verkommt und Glück schon bedeutet, daß man einen Arbeitsplatz hat. Einen Arbeitsplatz, der zu DDR-Zeiten selbstverständlich war. Das Recht auf Arbeit garantierte der Staat.

Nach der Wende sind fast vier Millionen Menschen bei uns von einer durch Arbeit geregelten Existenz in existentielle Abgründe gefallen. Heutzutage stehen Ossis nicht mehr für Bananen in der Schlange, dafür vorm Arbeitsamt.

Und dennoch haben die meisten im Wandel nach dem Wandel irgendwie Schritt gehalten, leben in einem Land, das nicht mehr ihre alte Heimat ist, und versuchen, inzwischen so ähnlich wie früher, in der Nische als Ich-AG froh zu werden.

Und ihr? Jetzt, da die Goldgräberstimmung bei uns vorbei ist, sucht ihr uns als Totengräber heim und verleumdet unseren Osten als Billionengrab. Nein, nicht falsch verstehen, wir wollen unsere alten Verhältnisse, die DDR nicht zurück - da sind wir wirklich anders als ihr.