Deichkind und drei weitere Bands vertraten das Hamburger Reeperbahn Festival bei einem Showcase in der niederländischen Stadt.

Groningen. Die "Zitze" musste zu Hause bleiben. Das mit diversen Schläuchen und Flüssigkeitsbehältern ausgestattete Bühnenbild jeder Deichkind-Show war zu groß für die kleine Bühne im Vindicat. Ein Klub dieser Größe wäre eigentlich zu klein für die Hamburger Hip-Hop-Elektro-Combo gewesen wäre, die in Deutschland in Hallen mit mindestens 1500 Plätzen oder auf großen Festivals spielt. Aber das Vindicat befindet sich in Groningen/Niederlande, und Deichkind waren in besonderer Mission unterwegs: Die Band spielte zusammen mit drei anderen Bands aus Dänemark, Irland und Großbritannien für das Reeperbahn Festival. Das Klub-Festival mit dem Untertitel "New International Music" präsentierte sich zum ersten Mal außerhalb Hamburgs mit einem Showcase beim Eurosonic-Festival.

Mit Deichkind war eine der zur Zeit aufregendsten Live-Bands mit nach Groningen gekommen. Das Vindcat, ein etwas heruntergekommener Klub am Grote Markt, direkt gegenüber dem Rathaus gelegen, war mit etwa 500 Zuschauern so voll, dass die Türsteher einen Einlass-Stopp verhängen mussten. Die holländischen Musikfans staunten nicht schlecht, als zuerst drei in buntes Plastik gekleidete und maskierte Typen auf die Bühne sprangen und das Lied von den "23 Dohlen" sangen.

Schon bei der nächsten Nummer wurde aus Verwunderung Tanzwut. Den harten und eingängigen Rhythmen von "Yippie Yippie Yeah! Krawall und Remmi Demmi" kann sich niemand entziehen, der Refrain stellt ebenfalls keine intellektuelle Überforderung dar. In Nullkommanichts verwandelte sich das Vindicat in ein Tollhaus, mit inzwischen sieben auf der engen Bühne herumhüpfenden Deichkindern. Auch in dieser kürzeren und abgespeckten Bühnenversion kam der ganze Wahnwitz der Deichkind-Show rüber, die Elektro-Beats knallten in Gehörgänge und Magengrube der wild zappelnden Zuhörer. Texte waren Nebensache, im Vindicat war Party!

Auch die anderen Bands, die das Reeperbahn Festival zusammen mit Hamburg Marketing für dieses Showcase gebucht hatte, füllten das Vindicat vor dem grandiosen Finale mit Deichkind. Vincent Van Go Go aus Dänemark eröffneten den Abend mit Gute-Laune-Rock, die irische Sängerin Wallis Bird erntete nicht nur mit ihren Songs, sondern auch mit ihren ausführlichen und pointierten Moderationen viel Sympathien, der Londoner Sänger Esser schließlich überzeugte mit einem so noch nicht gehörten Mix aus Reggae, Hip-Hop und Rock. Esser ist im übrigen ein gutes Beispiel für das seit 15 Jahren existierende Eurosonic-Festival. Auf 22 Bühnen stellen sich überwiegend Newcomer aus ganz Europa vor, Britische Bands, von den einheimischen Medien bereits gehyped, präsentieren sich genauso wie Musiker aus Portugal oder Estland, sonst eher weiße Flecken auf der Landkarte des Rock ‚n’ Roll.

Labelmanager und Agenten der großen europäischen Festivals und Konzertveranstalter sichten zwei Tage lang, was im kommenden Sommer musikalisch heiß sein könnte und führen in Groningen erste Gespräche mit den Künstlern. Die Mehrzahl der Bands und Solisten kommt aus den Benelux-Ländern und Skandinavien, aber auch deutsche Bands geben hier ihre internationale Visitenkarte ab. Polarkreis 18 waren in diesem Jahr ebenso beim Eurosonic zu Gast wie die Hamburger Sänger finn. und Gisbert zu Knyphausen.

Deichkind kamen nach ihrer Show mit einem mittelgroßen Lieferwagen anstelle eines Trucks aus, um ihre Kostüme, Schauchboote und das übrige Bühnenequipment zu verstauen. Mitte März geht die Band im Auftrag des Reeperbahn Festivals erneut auf Reisen. Dann geht es zum SXSW-Festival nach Austin/Texas, mit 1500 Bands dem größten Klub-Festival der Welt. Die Mission ist wieder klar: Werbung für die Hansestadt und sein Rockfestival im September machen und den Amis zeigen, dass der durchgeknallteste Rock’n’Roll-Wahnsinn zur Zeit aus Hamburg kommt. "Yippie Yippie Yeah!"