Der bissige Kommentar eines Kritikers auf viele durchlittene Fernsehstunden.

Hamburg. Um ein Fernsehjahr zu beschreiben, reicht im Grunde: Veronica Ferres. Erst kürzlich lief ihr Wandel vom Muttertier zur "Patin" bei RTL. Doch weil das öffentlich-rechtliche Traditionspublikum "Tatort" oder "Inga Lindström" treu blieb und Jüngere zu ProSieben wechselten, sahen nur fünf Millionen Menschen zu. Folge zwei wurde gar von "Sissi" überboten. Ein Debakel.

Was das übers Programm 2008 aussagt? Auch Topstars können dem Riss zwischen älteren öffentlich-rechtlichen und jungen Privatzuschauern nicht kitten. Der Homo Televisionensis guckt, was er will. Auf RTL zum Beispiel: wohnt dem Restauranttester Rach millionenfach bei, während "Die Anwälte" nach der Pilotfolge scheitern und "CSI" auch als Wiederholung Tagessiege erzielt. So lief das ganze Jahr: US-Importe, Dokusoaps, Altware, dazu Chart-, Motto-, Panel-, Heiratsshows und die üblichen Zugpferde: von Raab bis Barth, von Supermodels bis Superstars, von Kochen bis Comedy, von Ferres bis Jauch. So treibt das Fernsehen die Menschen ins Internet. Dessen Erfolg ist schließlich messbar: beim Blick in jedes Kinderzimmer, jede Schule, jeden Chatroom. Noch ist das Fernsehen mit 223 Minuten am Tag vorn. Doch im Medienmix sinkt diese Anziehungskraft. Die zudem nicht messbar ist in jenen 5640 Haushalten, deren TV-Nutzung von der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) regelmäßig erfasst wird. Dennoch hecheln ARD und ZDF der Quote hinterher. Daran änderte auch das NDR-Magazin "Zapp" nichts, das im Sommer enthüllte, wie willkürlich RTL-Chef Helmut Thoma einst die ominöse Zielgruppe auf 14 bis 49 Jahre festgelegt hat. Zum Wohle seines Senders.

Die TV-Sparten der ProSiebenSat.1 Media AG dagegen flüchten von Berlin ins Münchner Gewerbegebiet. Die Aussage von TV-Chef Andreas Bartl, dort entstehe ein "Content-Powerhouse", erzeugt nur Mitleid. Und hätten sie nicht ihre GEZ-Milliarden, den Öffentlich-Rechtlichen ginge es noch schlechter. Dabei kritisiert ZDF-Intendant Markus Schächter durchaus zu Recht, sein Sender müsse sich als Seniorenfunk beschimpfen lassen, dürfe aber kein Angebot für die Jugend machen. Warum er der Kommerzkonkurrenz dann "Bergdoktor", "Kommissar Rex", "Traumhochzeit" und "Markus Lanz" abgekauft hat, statt eine jugendaffine Reihe wie "HipHop Don't Stop" nicht um Mitternacht, sondern noch vor dem "heute-journal" zu bringen, bleibt sein Geheimnis. So wie die Motive der ARD, ProSieben von Bruce Darnell zu befreien und dessen Niveau mit der Kuppelshow "Ich weiß, was gut für dich ist" noch zu unterbieten.

Der Ausblick auf 2009? ARD und ZDF werden sich weiter auf ihre Kernkompetenz beschränken: Volksmusik und Krimi, Biathlon und Fußball, Talkshows, Nachrichten, etwas Kultur zur Nacht. Und immer wieder Ferres.