Der Kabarettist brilliert im Zweiteiler “Aufschneider“ als grantiger Pathologe, der sich permanent mit Arztkollegen und Familie anlegt.
Hamburg. "Sagen Sie mir Ihre ehrliche Meinung?", fragt der Chirurg Dr. Böck seinen Kollegen aus der Pathologie. "Sie san a Trottel", kontert Josef Haders Dr. Hermann Fuhrmann, ohne seine Leichenbittermiene zu verziehen. Er hasst den eitlen, jüngeren Primararzt (Oliver Baier) und arbeitet fieberhaft daran, ihm einen Kunstfehler nachzuweisen und ihn als Pfuscher bloßzustellen. Die beiden "Streithanseln" sind noch dazu Rivalen um Fuhrmanns Ex-Frau Karin (Ursula Strauss). Fuhrmann, das blasse Monster mit dem Rasiermessercharme, hat sie vor zwei Jahren verlassen und muss sich nun von Böck aufziehen lassen: "Ein bissel spät für Eifersucht."
Alles läuft schief in Fuhrmanns Leben, nur an den Toten hat der "Aufschneider" seine wahre Freude. "Ein totaler, schöner Krebs", schwärmt er bei der Obduktion und vergleicht das Zellbild im Mikroskop mit moderner Kunst. "Der Krebs hat Spaß, der wuchert dahin und macht von seiner Warte aus gesehen alles richtig." Im Gegensatz zu Herrn Doktor Fuhrmann.
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Diese Art von makabrem Humor ist nicht gerade jedermanns Sache. Doch wer eine Schwäche für den gemeinen, hinterhältig treffsicheren Witz des Wiener Kabarettisten Josef Hader hat, wird am zweitteiligen Fernsehfilm "Aufschneider" sein helles Vergnügen haben: Am bissigen Grantler Hader alias Fuhrmann, an den herrlich abgedrehten österreichischen Typen, den komischen Katastrophen und den grotesken Situationen. So absurd sie auch erscheinen mögen, sie wirken doch wie direkt aus dem Leben gegriffen. Denn es kommt immer noch schlimmer, als man denkt.
Auch mit dem Dialekt: Ratschen Max und Moritz, die beiden schrägen Faktoten vom Leichenkeller, bei der Bierjause über ihre dunklen Machenschaften mit der scharfen Bestatterin, sind Untertitel für die "Piefkes" unerlässlich. Das skurrile Trio infernale treibt lukrative Geschäfte mit frischen Hornhäuten. Augapfel raus, Glasauge rein. Als einzige deutsche Darstellerin gibt Meret Becker so energisch wie lasziv den Todesengel ("Hier sind alle tot, herrlich, man braucht nicht freundlich zu sein") und bringt den Wiener Schmäh auf den Punkt: "Ein anderes Wort für konfliktscheu."
Das ist allerdings Aufschneider Fuhrmann keineswegs. Er schneidet auch im übertragenen Wortsinn auf, nimmt immer den Mund viel zu voll und vermeidet keinen Streit, auch mal gefolgt von Handgreiflichkeiten oder Hetzjagden. Um seine Kollegin Dr. Wehninger (ein stoischer Unglückssingle: Pia Hierzegger) zu decken, kutschiert er mit deren totem Vater im Rollstuhl durch Wien, weil sie sich nicht entschließen kann, ihn zu obduzieren. Aber zuvor frühstücken die beiden ganz gemütlich in Gesellschaft des kalten Alten auf dem Balkon und genießen die schöne Aussicht auf Wien: "Der Lieblingsplatz meines Vaters."
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Der Autor, Kabarettist und Schauspieler Josef Hader ist ein Ausnahmekünstler in seiner Zunft und genießt Kultstatus - nicht nur in Österreich. Beim Gastauftritt in der Gala des 25. Kabarettfestivals auf Kampnagel gab er gerade wieder einmal Proben seines bösartigen Humors und miesepetrigen Wesens. Seine lakonischen Dialoge, zielsicheren Pointen und pessimistischen Weltdiagnosen haben es in sich. Die mehrfach ausgezeichneten Soloprogramme ("Privat", "Hader muss weg", "Hader spielt Hader") ähneln mit den Monologen eines an sich und seiner Sendung zweifelnden Weltverbesserers eher Theaterabenden. Sie zeugen von seiner seziermesserscharfen Beobachtungsgabe und einer sardonisch nachtdunklen Gemütsverfassung. Über Österreichs Grenzen machten Hader sein Erstlingsfilm und -stück "Indien" bekannt, wie auch der Simon Brenner in den von Wolfgang Murnberger verfilmten Wolf-Haas-Krimis "Komm, süßer Tod" (2000), "Silentium" (2004) und "Der Knochenmann" (2009).
Josef Hader schrieb mit dem Regisseur David Schalko das Drehbuch zu den oft saukomischen Szenen aus dem Wiener Klinik- und Familienalltag. Wenn sich zwei streiten, freut sich der Zuschauer als Dritter. Authentisch und komödiantisch setzen der Kabarettkollege und Schauspieler Oliver Baier ("Schlager Schlachtung") sowie das bis in die kleinste Rolle stimmig besetzte Ensemble den Dauerzoff um.
"Aufschneider" ist ebenso eine Satire auf alle Arztserien, die sich um die Dramen, Intrigen und Liebeleien der "Götter in Weiß" drehen. Doch Hader blickt tiefer und genauer hinab in die von Neonlicht erhellten Gewölbe der Pathologie im Margaretenspital. Und auf die Menschen in dieser fahlen Unterwelt, die man gewöhnlich nicht zu Gesicht bekommt, mit denen man auch lieber nichts zu tun haben will. Wie hat der andere große Sarkast und Wiener Kabarettist mit dem Hang zum Morbiden, Georg Kreisler, schon so schön in einem Chanson gesungen: "Der Tod, das muss ein Wiener sein ... "