Es waren die jungen Menschen, die entscheidend für den grünen Triumph gesorgt haben. Was das für die Bürgerschaftswahl 2020 bedeutet.

Das war mehr als ein blaues Auge, das war ein politischer Tiefschlag: Die Wähler haben die Hamburger SPD, erfolgsverwöhnt und machtbewusst, bei den Wahlen zu den Bezirksversammlungen gewissermaßen auf die Bretter geschickt. Gleich vier der sieben Bezirke sind „gekippt“ – hier liegen die Grünen vor der SPD, in Hamburg-Nord, Eimsbüttel und Altona sogar überaus deutlich.

Allein in Bergedorf, Wandsbek und Harburg kann sich die SPD als stärkste Kraft behaupten – und das auch nur knapp. Landesweit liegen die Grünen klar vor der SPD.

Bis zur Bürgerschaftswahl 2020 bleiben der SPD nur neun Monate

Um die Dimension des Wählervotums zu ermessen, muss man auf das Jahr 2001 zurückblicken. Damals löste die CDU mit Ole von Beust an der Spitze und mithilfe der Schill-Partei und der FDP die SPD nach 44 Jahren an der Macht im Rathaus ab. So weit ist es nicht, aber der SPD bleiben nur noch knapp neun Monate bis zur Bürgerschaftswahl Anfang 2020, um das Blatt zu wenden und ihrem eigenen Anspruch als führende Kraft gerecht zu werden.

Der entscheidende Unterschied zwischen 2001 und 2019 liegt darin, dass nicht der klassische Hauptgegner CDU der SPD den Rang streitig macht, sondern der Koalitionspartner von den Grünen. Das heißt zunächst: Eine Unzufriedenheit mit der rot-grünen Senatspolitik, die ja auch erhebliche Auswirkungen auf die Bezirke hat, lässt sich aus dem Wahlergebnis nicht herauslesen. Im Gegenteil: In der Addition gehen Rote und Grüne sogar gestärkt aus der Bezirkswahl hervor. Es gibt in fast allen Bezirken eine satte grün-rote Mehrheit, meist nur in genau dieser Reihenfolge.

Im Video: Wahlsiegerin Katharina Fegebank

Das mag für manchen Sozialdemokraten auf den ersten Blick tröstlich wirken, vergrößert deren Problem in Wahrheit aber noch. Wie kann die SPD diesen Grünen Paroli bieten? Darüber werden sich die SPD-Strategen in der nahen Zukunft den Kopf zerbrechen müssen. Die Lage ist, gelinde gesagt, verzwickt.

Festzuhalten bleibt: Vor allem das Thema Klimawandel, das den bundesweiten Wahltrend zugunsten der Grünen gesetzt hat, hat auch in Hamburg durchgeschlagen – bei der Europa- wie der Bezirkswahl. Der Hamburg-Bonus, von dem die SPD lange gezehrt hat, ist zusammengeschmolzen. Dass die SPD vor Ort dafür gesorgt hat, dass die Infrastruktur verbessert wird, interessiert die Wähler offensichtlich nur am Rande.

Und: Es waren die jungen Menschen, die mit ihren Stimmen entscheidend für den grünen Triumph gesorgt haben. Dass es den Grünen auch bei den Bezirkswahlen gelungen ist, die SPD im Gesamtergebnis an der Spitze abzulösen, trifft die SPD in ihrem Selbstverständnis als die Hamburg-Partei ins Mark. Wenn Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und SPD-Landeschefin Melanie Leonhard jetzt darauf setzen, dass es bei der Bürgerschaftswahl nicht nur um ein Thema gehen wird – den Klimawandel –, sondern auch um Wohnungsbau, Mieten und Verkehr, dann lässt sich jetzt schon sagen: Das allein wird nicht reichen, verloren gegangenes Vertrauen gerade bei den jungen Wählern zurückzugewinnen.

Was die Grünen bedenken sollten

Die Grünen sind in der strategisch günstigen Lage, abwarten zu können. Es wäre unklug, wenn Spitzenkandidatin Katharina Fegebank jetzt schon als Bürgermeisterkandidatin ins Rennen gehen würde. Wenn der für die Grünen positive Trend bis in den Herbst anhält, wäre für den direkten Angriff auf die SPD – nichts anderes wäre der Bürgermeister-Anspruch – immer noch Zeit genug. Noch profitieren SPD und Grüne gemeinsam davon, zusammen weiterzuregieren.

Und die CDU? Deren Hoffnung, die Schwäche der SPD für sich nutzen zu können, hat sich nicht erfüllt. Die Opposition bleibt marginalisiert. Das alles lässt nur den Schluss zu: Auch Hamburg hat eine politische Zeitenwende erfasst.