Harburg. Das Beben erschütterte auch Harburg. Die SPD, bei der letzten Bezirkswahl mit 40 Prozent deutlich stärkste Partei, ist dies nun nur noch knapp
Die Zahlen sind noch nicht amtlich, aber: Das Beben der Europawahl erschütterte auch Harburg. Die SPD, bei der letzten Bezirkswahl mit über 40 Prozent noch deutlich stärkste Partei, ist dies nun nur noch knapp. Zum einen, weil sie 13 Prozent gegenüber 2014 verlor, zum anderen, weil die Grünen kräftig zulegten. Eine Zeit lang sah es sogar so aus, als hätten die Grünen in einem Kopf-an-Kopf-Rennen die Nase vorn.
Jubel an der Schwarzenbergstraße im Harburger Grünen-Büro
Während der Jubel an der Schwarzenbergstraße im Harburger Grünen-Büro groß ist, ist man im Herbert-Wehner-Haus der SPD eher zerknirscht: „Wir haben das Minimalziel, stärkste Partei zu werden, wohl erreicht“, sagt der Kreisvorsitzende und Spitzenkandidat der SPD, Frank Richter. „Aber das Ergebnis ist ohne Frage enttäuschend. Besonders leid tut es mir für die Kandidaten, die in der Vergangenheit eine sehr gute inhaltliche Arbeit in der Bezirksversammlung geleistet haben und dies nicht mehr fortführen können, weil sie den Einzug ins Gremium nicht geschafft haben.“
SPD-Kreisvorstand kommt Dienstagabend zusammen
Welche Kandidaten das sind, wird sich erst in den kommenden Tagen zeigen, wenn die Personenstimmen ausgezählt sind. Dennoch wird sich der Kreisvorstand der Harburger SPD schon heute Abend Gedanken machen, wie und mit wem man Politik für Harburg machen möchte, so Richter. Ein Rot-Grünes Bündnis hätte aller Wahrscheinlichkeit nach eine Mehrheit von zwei bis drei Stimmen in der Bezirksversammlung. Denkbar wäre auch eine Koalition aus SPD CDU und FDP oder ein Rot-Grün-Rotes Dreierbündnis mit einer stabileren Mehrheit. Wahrscheinlich ist das jedoch nicht: „Es gäbe mit CDU und FDP in vielen Fragen zu viele Differenzen“, sagt Richter.
Bündnis mit den Grünen?
Ihm wäre ein Bündnis mit den Grünen lieber: „Wir haben nach Beendigung der Großen Koalition gut mit Grünen und Linken kooperiert und viel auf den Weg bringen können“, sagt Richter.
Das sieht Britta Herrmann, Spitzenkandidatin der Grünen, zwar ähnlich, aber einen Koalitionsauftrag leitet sie daraus noch nicht zwingend ab. „Die wechselnden Mehrheiten nach dem Ende der GroKo waren konstruktiv und spannend“, sagt sie. „Man musste um seine Positionen verhandeln und Kompromisse finden. Ich fand das erfrischend. Kategorisch ausschließen möchte ich eine wie auch immer geartete Koalition aber nicht, denn ich entscheide das ja nicht, sondern die ganze Fraktion wird sich mit dem Thema befassen. Wir sind ganz bewusst ohne Koalitionsaussage in den Wahlkampf gegangen.“
Grüne setzen sich erst am 11. Juni zusammen
Die Fraktion will sich erst nach dem 11. Juni zusammensetzen, wenn das amtliche Endergebnis feststeht. „Natürlich wird bis dahin innerhalb der Partei auch schon gesprochen und es werden mögliche Mitglieder für Sondierungsteams zusammengesucht. Aber viele der Kandidaten sind nach dem Wahlkampf jetzt auch erst einmal im Urlaub.“
Eine mögliche Koalition wollen die Grünen laut Britta Herrmann davon abhängig machen, mit wem sie ihre Vorstellungen ökologischer Politik am besten verwirklichen können. „Wir haben aus der Bezirks- und aus der Europawahl einen klaren Auftrag zur Klimarettung. Dem müssen wir auch auf kommunaler Ebene umsetzen, durch ökologischen Wohnungsbau und die Verkehrswende.“
Rechnerisch denkbar wäre auch ein Jamaika-Bündnis der Grünen mit CDU und FDP. Sehr wahrscheinlich ist das allerdings nicht. „Da müssten sich die Grünen in vielen Fragen von ihrer starren Haltung wegbewegen“, sagt Viktoria Ehlers, designierte Fraktionsvorsitzende der Liberalen selbstbewusst.
Sie hat ihr wichtigstes Ziel erreicht: Die FDP wird wieder mit Fraktionsstärke in der Bezirksversammlung vertreten sein. „Das macht uns alle stolz“, sagt sie.
Trübe ist die Stimmung bei der CDU
Trübe ist die Stimmung bei der CDU. Sie ist auf knapp 20 Prozent gesunken, gab fast 10 Prozent ab. „Das ist völlig unbefriedigend“, sagt CDU-Spitzenkandidat Ralf-Dieter Fischer, „das reicht uns nicht! Wir haben es vor allem versäumt, unsere Inhalte jungen Wählern nahezubringen, und das nicht nur im Bezirk. Wir sind als Partei insgesamt schlecht aufgestellt, was neue Medien angeht.“
Wird die CDU versuchen, in ein Bündnis einzusteigen? „Wir haben im Bezirk schon viele Konstellationen erlebt und mitgestaltet“, sagt Fischer. „Aber wir können auch Opposition.“
An Stimmen, aber nicht an Prozenten gewonnen haben die Linken. Bei einem rein Rot-Grünen Bündnis wären sie wieder Opposition. „Darin sind wir geübt“, sagt Spitzenkandidat Jörn Lohmann, „wir werden die Politik kritisch begleiten.“
Anders als die AfD nicht in der neuen Bezirksversammlung sind die Neuen Liberalen. Mit 2,2 Prozent scheiterten sie an der Drei-Prozent-Hürde. „Das Ergebnis ist dennoch ein Achtungserfolg“, sagt Kandidat Kay Wolkau.