Ahrensburg. Die Buchung via Online-Portal und Telefon-Hotline ist zur Glückssache geworden. 8500 offene Termine für über 80-Jährige
Überlastete Hotlines, unübersichtliche Seitenführung bei der Online-Buchung, Fehlermeldungen und Verbindungsabbrüche in Serie – immer mehr Stormarner packt die Wut beim Versuch, sich Termine für die Corona-Schutzimpfung zu besorgen. Auf der anderen Seite bittet das schleswig-holsteinische Gesundheitsministerium fast flehentlich, über 80-Jährige sollten doch endlich die für sie reservierten Zeitfenster nutzen. „Wann funktioniert eigentlich mal etwas? Das ist staatlich verordneter Irrsinn“, findet nicht nur Abendblatt-Leser Thilo von Bose.
In der vergangenen Woche verkündete das Sozialministerium noch stolz, dass man innerhalb eines Tages die verfügbaren 200.000 Termine bis Ende April vergeben konnte. Obwohl sich in der Spitze bis zu 120.000 Interessenten bei der Online-Buchung in der virtuellen Warteschlange befanden, habe man diese im Verlaufe einer Stunde fast vollständig abbauen können.
Mit erfolgreicher Verifizierung sei das Chaos ausgebrochen
Doch seitdem hakt es auf dem Internetportal www.impfen-sh.de gewaltig. Wer momentan versucht, einen der begehrten Termine zu ergattern, hat zumeist das Nachsehen. „Der Zugang zum Portal geht sehr schnell“, schreibt Leser Wolf-D. Burghardt aus Ammersbek, der sich und seine Ehefrau anmelden wollte. Doch spätestens nach der Verifizierung per Mail habe „das Chaos“ begonnen.
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Als Burghardt sich endlich bis zur finalen Terminreservierung vorgekämpft hatte, bot ihm das System nur die beiden Termine für eine Person an, obwohl es zuvor die Anmeldung für zwei Personen bestätigt hatte. Damit wollte er sich schon abfinden, wurde beim nächsten Schritt aber erneut enttäuscht. Nach der Auswahl eines konkreten Impfzentrums folgten in Serie die Mitteilungen „Keine Termine verfügbar“ oder „Termin schon vergeben“ oder „Es ist ein Fehler aufgetreten“.
Hotline-Wirrwarr frustriert viele Impfwillige im Kreis
Dieser Ablauf wiederhole sich nun seit Tagen ohne Ausnahme. Rückfragen unter der angegebenen Telefonnummer 116 117 blieben erfolglos. Denn als er nach vielen Versuchen endlich durchkam, wurde ihm mitgeteilt, dass man für Ammersbek mit Hamburger Vorwahl 040 gar nicht zuständig sei. „Wenn aber in diesem Fall die Rufnummer 0800/455 65 50 gilt, warum wird das auf dem Online-Portal dann nicht so angezeigt?“, fragt Burghardt.
Seitdem hat es der über 70-Jährige immer wieder versucht, erfolglos. „Dieses Verfahren scheint im Kreis Stormarn besonders schlecht bis gar nicht zu funktionieren“, konstatiert er frustriert. Noch schlimmer sei indes, dass es offenbar keine verantwortliche Stelle gebe, die sich des Problems annehme und für Abhilfe sorge. „Es ist ein einziges Trauerspiel, schade um die vergeudete Zeit“, so Wolf-D. Burghardt.
Nur Stornierungen kehren ins Angebot zurück
Dessen Erfahrungen sind indes kein Einzelfall. Immer wieder werden für Impfzentren gelegentlich freie Termine angeboten, die im Moment des Zugriffs aber als „leider ausgebucht“ ausgewiesen werden. „Es wird also etwas angeboten, was es nicht gibt“, so Leser Thilo von Bose. Tatsächlich handele es sich nur um vereinzelte Stornierungen, die man nur durch Zufall und mit endloser Geduld nutzen könne.
Marius Livschütz, Sprecher des Sozialministeriums, erklärte die geschilderten Probleme damit, dass oft mehrere impfberechtigte Personen parallel versuchten, die aktuell nur noch vereinzelt verfügbaren Termine für unter 80-Jährige zu buchen. „Es kann daher hilfreich sein, nicht unbedingt den ersten verfügbaren Termin anzupeilen, da sich auf diesen viele Menschen fokussieren werden“, so Livschütz.
Bis zu 80.000 Kontaktversuche an einem Tag
Offenbar sind aber auch die telefonischen Hotlines hoffnungslos überlastet. Nach Abendblatt-Informationen habe es in Hochzeiten bis zu 80.000 Kontaktversuche täglich gegeben, von denen aber nur ein Bruchteil durch die beauftragten Callcenter abzuarbeiten gewesen seien.
Leser Wolf-Peter Enke aus Barsbüttel erhielt am Stormarner Bürgertelefon 0431/79 70 00 01 die ernüchternde Auskunft, es riefen „zu viele Menschen“ an. Hinzu komme, dass das System mit dem Löschen nicht mehr buchbarer Angebote nicht nachkomme. Sein einziger Kommentar: „Bravo, Landesregierung, bravo, Gesundheitssystem!“
Über 80-Jährige sollen ebenfalls online buchen
Unterdessen haben Gesundheitsministerium und Kreisverwaltung mitgeteilt, dass für über 80-Jährige noch reichlich freie und kurzfristig buchbare Termine im Impfzentrum Bad Oldesloe verfügbar sind. Livschütz bezifferte die konkrete Zahl auf Anfrage dieser Redaktion mit rund 8500. So gut wie ausgelastet seien die Kontingente hingegen in Großhansdorf und Reinbek.
Für die genannte Altersgruppe der Prioritätsgruppe 1 sind nach wie vor die Nachmittagstermine sowie die Impfstoffe von Biontec und Moderna „exklusiv“ reserviert. Wer noch keinen Brief bekommen habe, könne für die Anmeldung ebenfalls die Onlineterminbuchung nutzen. Empfehlenswert sei allerdings, von vornherein Termine am Nachmittag zu wählen, die nach Eingabe des Alters auch automatisch angezeigt würden.
Großteil der Impftermine blieb ungenutzt
Dennoch blieb ein Großteil der täglich verfügbaren 320 Termine für über 80-Jährige in Bad Oldesloe zuletzt ungenutzt. Deshalb hat die Kreisverwaltung vom Land jetzt die Genehmigung erhalten, auch Personen der Prioritätsgruppe 2 Impfangebote zu unterbreiten. „Wir haben deshalb am Montag alle Grundschulen und medizinische Einrichtungen angeschrieben“, sagt Andreas Rehberg, Fachbereichsleiter öffentliche Sicherheit. Rehberg betont allerdings, dass nur Mitarbeiter von Einrichtungen berücksichtigt werden, die vom Kreis vorher angeschrieben worden sind.
Vorrang hätten zwar weiterhin über 80-Jährige, deren Kontingent werde allerdings auf 20 Prozent des verfügbaren Tageslimits beschränkt. Ob sich das allerdings angesichts des gerade verkündeten Impfstopps für das Vakzin AstraZeneca beibehalten lässt, ist derzeit völlig ungewiss. „Das ist ein herber Rückschlag für die Impfstrategie. Jetzt werden sich die Impfwartezeiten noch mal deutlich verlängern“, fürchtet Andreas Rehberg.