Trittau. Die Malerin Judith Kisner will sich während ihres Stipendiats in Trittau mit dem Dorf-Projekt „Loheland“ auseinandersetzen.

Als 30. Stipendiatin der Sparkassen-Kulturstiftung Stormarn hat Judith Kisner durchaus Jubiläumsformat. Die gebürtige Niederländerin ist polyglott, kosmopolitisch und anthroposophisch geprägt. Letzteres dürfte sich nun auch in ihren Arbeiten niederschlagen, die in den kommenden zwölf Monaten im Atelierhaus an der Trittauer Wassermühle entstehen werden. Denn widmen will sich die 38-Jährige hier vor allem der künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Projekt „Loheland“.

„Loheland“ wurde 1919 in der Rhön gegründet

„Loheland war ein Dorf, das 1919 von Frauen für Frauen in der Rhön gegründet wurde“, berichtet Kisner. In der Siedlungsgemeinschaft sei dann eine innovative Schule entstanden, die in den 20er-Jahren als eine der fortschrittlichsten und modernsten in Deutschland galt. „Loheland teilte mit dem Bauhaus die Mission einer künstlerischen und ganzheitlichen Bildung“, so Kisner, die selbst Waldorfschülerin war.

Das Thema hat sie bereits 2019 in der Masterarbeit zum Abschluss ihres Studiums an der Hochschule für bildende Künste Hamburg beschäftigt. Auslöser waren alte Schwarz-Weiß-Fotos ihrer Mutter, die etliche Jahre in „Loheland“ zu Hause war. „Das visionäre Konzept der Schule hat mich fasziniert, nicht zuletzt wegen der Rolle der Kunst beim Lernen und im Zusammenleben dieser Gemeinschaft“, sagt Kisner.

„Loheland“-Philosophie künstlerisch umsetzen

Während ihres Stipendiats an der Wassermühle will sie ihre Erkenntnisse über die „Loheland“-Philosophie nun in neuen Werken künstlerisch umsetzen. Für diese Art der Heimatforschung biete sich das dörfliche Ambiente der Gemeinde Trittau förmlich an, sagt Kisner, die zuvor unter anderem in Amsterdam und Arnheim, New York, Berlin, Düsseldorf und Hamburg gelebt hat.

„Ich möchte in die Geschichte Lohelands anhand von historischem Bildmaterial, Exponaten, und zeitgenössischen Arbeiten eintauchen und dessen Konzept aus der Gegenwart heraus befragen und weiterspinnen“, beschreibt Kisner ihr Vorhaben. Man darf gespannt sein, auf welche Art sie das tun wird.

Von französischer Künstlerin Louise Bourgeois inspiriert

Judith Kisner ist zwar von Hause aus Malerin. Doch ihr Œuvre ist auch geprägt von raumgreifenden Installationen, sowie Textil- und Papierarbeiten. Zuweilen fließen ihre bevorzugten Ausdrucksformen auch ineinander. Wie etwa bei ihrem Werk „Coffee Painting Shower“ 2017 im Kunstraum W139 Amsterdam. Dabei führte sie großflächig bis unter die für Meter hohe Decke mit Keilmuster versehene Pappelholzplatten, gerahmte Zeichnungen auf Toilettenpapier, Klebetattoos und Holzschnitte zusammen.

Kisner, deren Arbeiten nach eigenem Bekunden von der französischen Künstlerin Louise Bourgeois inspiriert sind, geht es immer wieder um überraschende Assoziationen, um den Wechsel von Perspektiven, um die Erweiterung des Horizonts. Dabei bleibe sie offen für neue Einflüsse, um sich künstlerisch und menschlich weiterzuentwickeln.

Während der Pandemie Kultur am Leben gehalten

„Wir sind als Stiftung sehr froh, dass wir das Kunststipendium nun schon seit 30 Jahren ermöglichen und somit interessanten und engagierten Künstlerinnen und Künstlern Raum für ihre Entwicklung bieten können“, sagt Landrat Henning Görtz, der zudem Mitglied des Stiftungsvorstands der Sparkassen-Kulturstiftung Stormarn ist.

Sören Westphal, Bereichsleiter Mittelstand der Sparkasse Holstein, bezeichnet es als große Ehre für das Geldinstitut, gerade während der Corona-Pandemie das kulturelle Leben im Kreis Stormarn auf vielfältige Weise am Leben gehalten zu haben. „Ich finde es immer wieder spannend, welchen Blick Künstler auf die Welt haben und wie sie diesen letztlich visualisieren“, so Westphal.

Stipendiaten sind gern gesehene Gäste im Ort

Trittaus Bürgermeisters Oliver Mesch findet es derweil großartig, jedes Jahr neue Künstler begrüßen zu dürfen, die den Ort künstlerisch beleben. „Die Stipendiaten sind gern gesehene Gäste und ihre Abschlusspräsentationen immer etwas ganz Besonderes“, sagt er. Dass über die Jahre in Trittau mit der Wassermühle ein Kunstzentrum entstanden ist, sei wichtig für die Gemeinde und bereichere sie auf ganz eigene Weise.

Info: Tag der Künstlerhäuser in Norddeutschland

Das Atelierhaus Trittau beteiligt sich am Sonntag, 30. Mai, am Tag der Künstlerhäuser in Norddeutschland. Die Stipendiatin Judith Kisner wird mit acht Künstlern die Ergebnisse des interdisziplinären Projekts „Get together“ präsentieren. Ausgangspunkt ist die Untersuchung von An- und Abwesenheit von Körpern im leeren Raum. Die Ausstellungsfläche bleibt geschlossen, ist jedoch durch die breite Fensterfront komplett einsehbar. Ein Interview mit Judith Kisner, Lynn Oona Baur und Xiyu Tomorrow gibt es live um 13 Uhr via Insta­gram @galeriewassermuehletrittau. Für den Videotalk (14 bis 15 Uhr), bitte unter tag@nkn-art.de anmelden.