Ahrensburg. Stadtwerke sollten Versorgung übernehmen. Bisheriger Betreiber SH Netz erwirkt einstweilige Verfügung. Richter rügen Auswahlverfahren.

Eigentlich haben die Ahrensburger Stadtverordneten bereits im September 2019 beschlossen, dass das Stromnetz in der Schlossstadt einen neuen Betreiber bekommt. Anstelle des bisherigen Versorgers Schleswig-Holstein Netz AG (SH Netz) sollten künftig die Stadtwerke Ahrensburg den Betrieb übernehmen. Politik und Verwaltung erhofften sich von dem Betreiberwechsel von der Eon-Tochter zu dem städtischen Unternehmen für die Kunden günstigere Konditionen und eine bessere Erreichbarkeit vor Ort.

Richter stoppen Wechsel des Betreibers des Ahrensburger Stromnetzes

Doch daraus wird vorerst nichts: Das Landgericht Kiel hat den Wechsel per einstweiliger Verfügung gestoppt und Mängel im Vergabeverfahren angeführt. Die Richter geben damit einem Einwand von SH Netz Recht. Auf seiner Sitzung am Montag hat der Finanzausschuss nun beschlossen, die Entscheidung zu Gunsten der Stadtwerke zu annullieren und das Vergabeverfahren neu aufzurollen.

Netzkonzessionen müssen alle 20 Jahre neu ausgeschrieben werden

„Hintergrund ist, dass Kommunen die Stromnetzkonzessionen alle 20 Jahre neu ausschreiben müssen“, sagt Marcel Grindel, Leiter des Fachbereichs Finanzen im Ahrensburger Rathaus. Der Vertrag von SH Netz mit der Schlossstadt ist bereits Ende 2015 ausgelaufen. „Auf die Neuausschreibung haben sich damals neben dem bisherigen Betreiber auch die Stadtwerke beworben“, so Grindel.

Stadtverordnete stimmten 2019 für Stadtwerke als neuen Versorger

Aufgrund einer Novellierung des zugrundeliegenden Energiewirtschaftsgesetzes habe sich die Entscheidung bis in den September 2019 hingezogen. Damals stimmten die Stadtverordneten der Empfehlung der Verwaltung zu, die Stromnetzkonzessionen für die kommenden 20 Jahre an die Stadtwerke zu vergeben. „Dagegen hat der unterlegene Bieter den Rechtsweg beschritten“, sagt der Fachdienstleiter.

SH Netz machte Mängel im Auswahlverfahren geltend

SH Netz führte demnach angebliche Verfahrensverstöße der Stadt an, die sich auf die Auswahlentscheidung ausgewirkt hätten und beantragte eine einstweilige Verfügung, um die Vertragsunterzeichnung mit den Stadtwerken zu verhindern. Das Unternehmen begründete einen Großteil der angeblichen Verstöße mit neuen Verfahrensmaßstäben, die höhere Anforderungen an die Kommunen beinhalten. Diese hatte das Oberlandesgericht (OLG) in Schleswig erst kurz zuvor, im Januar 2020, bei einer Entscheidung entwickelt und so einen Präzedenzfall geschaffen. „In den meisten Punkten hat das Landgericht Kiel die Rügen zurückgewiesen“, sagt Grindel.

Gericht verbietet Ahrensburg Vertragsunterzeichnung

Dennoch schlossen sich die Richter der Rechtsprechung des OLG grundsätzlich an. Das Landgericht Kiel beanstandete demnach einen mangelnden Detailgrad bei der Dokumentation der Auswertung der Angebote. Die Entscheidung zugunsten der Stadtwerke sei deshalb nicht in einem ausreichenden Maße „nachvollziehbar“, urteilten die Richter. „Der Stadt wurde die Vertragsunterzeichnung untersagt“, sagt Grindel. „Wir hätten gegen diese Entscheidung juristisch vorgehen können, haben uns auf anwaltliches Anraten aber dagegen entschieden“, sagt der Fachdienstleiter.

Verwaltung möchte Gang durch die Instanzen vermeiden

Ein Einspruch hätte demnach mutmaßlich einen langen Gang durch die Instanzen bis zum Bundesgerichtshof zur Folge gehabt. Da jedoch die nächsthöhere Instanz nach dem Landgericht Kiel sowohl im einstweiligen Verfügungsverfahren als auch in einem späteren Hauptsacheverfahren das Oberlandesgericht in Schleswig sei, auf dessen Entscheidung die Richter in der Landeshauptstadt ihr Urteil gründen, sei kein anderer Ausgang zu erwarten gewesen.

Die Bewerber sollen neue Angebote vorlegen

Stattdessen habe die Verwaltung die einstweilige Verfügung akzeptiert und der Politik empfohlen, die Entscheidung für die Stadtwerke als Betreiber aufzuheben. Nach dem Finanzausschuss müssen noch die Stadtverordneten zustimmen. Im Anschluss möchte die Verwaltung von beiden Bewerbern neue Angebote einholen und mit angepasstem Kriterienkatalog von vorn mit der Bewertung beginnen. „Für die Stadt ist das ein sehr aufwendiges Verfahren“, sagt Grindel.

Für die Verbraucher ändert sich vorerst nichts

Mit einem Abschluss rechnet er erst im Laufe des kommenden Jahres. Für die Verbraucher ändere sich bis dahin nichts, auch im Falle eines Betreiberwechsels gebe es nicht automatisch Änderungen bei den Gebühren. Der Rechtsstreit um die Netzkonzessionen in Ahrensburg ist kein Einzelfall. Immer wieder gehen unterlegene Bieter gegen Kommunen vor. So klagte SH Netz auch gegen Bargteheide, als die Stadt den Betrieb des Strom- und Gasnetzes 2018 in die Hände ihrer Stadtwerke legen wollte. Damals bekam Bargteheide letztlich vor Gericht Recht.