Schwerin/Kiel/Hamburg. Norddeutsche Wohnungsunternehmen warnen vor Rohstoffmangel. Der Umweltsenator wirbt für die Alternative Holz.

In einem Appell hat sich am Freitag Andreas Breitner als Chef der norddeutschen Wohnungswirtschaft an Politik und Entscheidungsträger gewandt. Er warnt vor einem Rohstoffmangel, der sich bereits jetzt auf Baustellen bemerkbar macht. Denn es fehlt Kies. Doch ohne den Rohstoff stocken Bauarbeiten im Norden, dringend benötigter Wohnraum wird nicht fertig.

Kies ist ein wichtigster heimischer Baurohstoff und wird vor allem zur Herstellung von Beton verwendet. Der Mangel an Kies stelle eine ernsthafte Bedrohung für das Erreichen der Wohnungsbauziele dar, sagt der Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW). Die Lage sei ernst, das Problem hausgemacht. "Eine Besserung in den kommenden Jahren ist nicht in Sicht."

2019 trat Problem erstmals in Hamburg auf, nun andere Gebiet betroffen

Er verweist auf neuere Erkenntnisse der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), wonach es bei Baurohstoffen, insbesondere bei Kies, seit einiger Zeit Schwierigkeiten mit der Lieferung gibt. Erstmals traten derartige Probleme 2016 in Hamburg auf. Die Folge: Aufträge für größere Baumaßnahmen konnte nicht mehr angenommen werden, Kiesmengen wurden nach Verfügbarkeit zugeteilt. Seither hat sich das Problem laut Studie der BGR auf andere Regionen wie Mannheim/Karlsruhe und Berlin/Potsdam sowie Teile Niedersachsens und Bayerns ausgeweitet.

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„Wegen des Baubooms, verbunden mit gestiegenen Gewinnungs- und Transportkosten, sind die Kiespreise in den vergangenen Jahren jährlich um fünf bis zehn Prozent gestiegen", berichtet Breitner. "Am teuersten ist der Rohstoff im Norden Deutschlands, wo es aus geologischen Gründen nicht ausreichend Vorkommen gibt." Für große Baumaßnahmen müsse der Naturstein zum Teil aus Dänemark importiert werden.

Andreas Breitner ist ehemaliger Innenminister von Schleswig-Holstein und heute Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW).
Andreas Breitner ist ehemaliger Innenminister von Schleswig-Holstein und heute Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW). © Bertold Fabricius | Pressebild.de/Bertold Fabricius

Dabei gebe es durchaus große Vorkommen in Deutschland. Nur der Abbau gestaltet sich schwierig. „So behindern langwierige Genehmigungsverfahren eine rechtzeitige Neueröffnung von Kiesgruben. Seit Jahren werden genehmigungsfähige Flächen für die Rohstoffgewinnung nicht in genügender Zahl und zudem nur sehr schleppend bereitgestellt", kritisiert der Verbandsvorsitzende.

Hinzu komme, dass ein Großteil der Kiesvorkommen bereits durch andere Nutzungen verplant und daher nicht nutzbar sei.  Außerdem wollten vermehrt Grundstückseigentümer ihre Flächen nicht für einen Abbau von Rohstoffen zur Verfügung stellen, weil es sich in Zeiten niedriger Zinsen nicht lohne, Flächen zu verkaufen oder zu verpachten. "Der zuletzt massiv gestiegene Bau von Wohnungen verschärft die Situation", so der VNW-Direktor weiter.

Breitner fordert von Behörden pragmatische Genehmigungen

Breitner geht davon aus, dass bei Kies und Sand in den kommenden Jahren eine Entspannung nicht in Sicht ist: „Ich fürchte sogar, dass der Mangel sich verschärfen und die Preise weiter steigen werden. Zum einen liegt das am massiv ausgeweiteten Bau von Wohnungen. Zum anderen läuft in mehreren Regionen Deutschlands in den kommenden Jahren die Produktion in wichtigen Kiessand-Lagerstätten aus.“

Daher fordert Breitner von Behörden vor allem in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern, bei der Genehmigung von Kiesgruben pragmatisch vorzugehen. „Wer den Bau von Wohnungen will, muss auch dafür sorgen, dass diese errichtet werden können.“

Hamburgs Umweltsenator bringt als Alternative für Kies Holz ins Spiel

In Hamburger hat man den Appell von Andreas Breitner erstaunlich schnell erhört. Bereits am Freitagnachmittag reagierte der Senat, und zwar in Form einer Stellungnahme der Umweltbehörde. Denn anders als Breitner, der den Abbau des benötigten Rohstoffs zur Betongewinnung fordert, macht sich Hamburgs Umweltbehörde für eine Alternative stark: Holz.

"Der Werkstoff Holz ist bislang in Hamburg noch wenig im Einsatz, hat aber großes Potenzial. Holz ist nachhaltig, klimaneutral und oft auch ganz einfach schön und sorgt obendrein für ein angenehmes Raumklima. Wenn wir in Zukunft mehr auf nachhaltige Baumaterialien setzen, kann uns das dabei helfen, unsere Klimaziele zu erreichen", erklärt Hamburgs Umweltsenator Jens Kerstan.

Förderung von Holz: Neue Anlaufstelle für Bauherrn in Hamburg

Aus seiner Sicht habe der Einsatz von Holz in der Gebäudekonstruktion viele Vorteile. So würde der hohe Vorfertigungsgrad schnelle Bauzeiten ermöglichen, was geringere Kosten und weniger Lärm bedeute. Trotzdem sei das Bauen mit Holz ist in Norddeutschland noch wenig verbreitet. Um den Rohstoff bekannter zu machen und die Nutzung zu fördern, soll jetzt mit dem Aufbau einer Geschäftsstelle „Qualitätssicherung Holzbau“ eine Anlaufstelle für interessierte Bauherrn geschaffen werden. Informationen finden sich unter www.holzbau-netzwerk-nord.de.

Zudem fördert Hamburg die Verwendung von Holz als Baustoff mit 80 Cent pro Kilogramm. Je nach Bauvolumen und Anwendung kann dies laut Jan Dube, Sprecher der Hamburger Umweltbehörde, auch eine größere Summe pro Projekt ausmachen. Weitere Infos zur Förderung finden sich bei der IFB, Hamburgischen Investitions- und Förderbank, unter www.ifbhh.de.

Der VNW vertritt in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein laut eigenen Angaben insgesamt 392 Wohnungsgenossenschaften und Wohnungsgesellschaften. In den von ihnen verwalteten 742.000 Wohnungen leben rund 1,5 Millionen Menschen.