Ja, die Kosten sind deutlich höher als in Arztpraxen. Doch der Sieg über Corona ist es wert.

Die deutsche Impfkampagne gegen das Coronavirus hat in kurzer Zeit ein dramatisches Auf und Ab erlebt. Es sind nur gut fünf Monate vergangen, seit die ersten Spritzen mit Biontech gesetzt wurden. Weitere, ebenso zugelassene, wirksame Impfstoffe kamen hinzu. Wieder neue sind bereits in klinischen Studien. Es gab ein einleuchtendes Konzept, zuerst die besonders schützenswerten Menschen gegen Corona zu immunisieren, die Betagten, die Pflegebedürftigen.

Doch mit dem Impffortschritt wuchsen die Zweifel: an den Impfstoffen, vor allem an Astrazeneca, an der Reihenfolge, der „Priorisierung“. Schon der Begriff weckt Tiefenängste, die mehr mit den „Selektionen“ aus unseliger Nazi-Medizin zu tun haben scheinen als mit seinem wissenschaftlich-ethischen Kern.

Impfzentrum trotzt dem Corona-Sturm

Von einer buchstäblichen Heilserwartung bis zu Wut über die Termine, über fehlenden Impfstoff und Versprechen aus der wahlkämpfenden Politik reichten die Bürgerreaktionen. Verständlich – denn mit der Impfung zu winken und dann nicht zu liefern produziert Frust und Zorn. Geduld ist in pandemischen Zeiten keine Volkstugend.

Umso erstaunlicher ist, dass in all diesen Wirrungen Hamburg eine Konstante pflegte: ein Impfzentrum, das sich gegen jeden Corona-Sturm wetterfest zeigte. Das binnen weniger Wochen zusammengezimmerte Provisorium in den Messehallen ist das ungewöhnlichste Erfolgsmodell dieser Tage überhaupt. Von Ärzten (KV), Rockstars (OMR) und Pharmazeuten (Alanta Health Group) auf die Beine gestellt, schnurrt es bis heute wie die Lok am Impf-Express.

KV, Online Marketing Rockstars und Alanta Health Group

Die Kassenärztliche Vereinigung hat nach dem Auftrag des Senats und mit dessen ausdrücklichem Segen ohne Rücksicht auf Sparpläne die Online Marketing Rockstars von Philipp Westermeyer als Personaldienstleister für Massenveranstaltungen ins Boot geholt. Dazu die Impfstoff-Fachleute der Alanta Health Group, obwohl gegen die Firma in anderer Sache staatsanwaltlich ermittelt wird. Die Vorwürfe, so Alanta, seien falsch.

Bunt zusammengewürfelte Ärztinnen und Ärzte haben sich mit Organisations-Profis und Feelgood-Managern zusammengetan. Dass das klappte, hat fast eine spirituelle Note. Wer die Reaktionen der Geimpften auf Deutschlands größtes Impfzentrum hört und liest, der kriegt feuchte Augen. Offenbar können wir das doch: spontan planen, machen statt lamentieren, solidarisch sein.

Die wichtigsten Corona-Themen im Überblick

Allerdings stottert der Turbo seit einigen Wochen. Nach einer Impfquote genau im Bundesdurchschnitt sackte der Wert ab. Es schlugen Impfschleicher dort auf. Sie wurden abgewiesen. Sicherlich gab es Pannen. Falsche Einladungen, Termin-Ignoranten, auch mal ruppigere Töne führten zu Wartezeiten. Aber es gab fast immer eine Lösung: spontan längere Öffnungszeiten, Wasser und Snacks für Wartende, Regenschirme, Rollstühle, immer eine helfende Hand.

Hamburger Impfzentrum: Reaktionen bei Twitter

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Und die Kosten? Vielleicht zehnmal teurer als bei den Hausärzten – das schockiert viele. Diese Relation zeigt, wie wenig Niedergelassene für ihre Leistungen bekommen (20 Euro), und gleichzeitig, dass Hamburg vor allem schnell impfen wollte. Insbesondere die wirtschaftlichen Erfahrungen mit der Pandemie und dem Lockdown zeigen: Geschwindigkeit geht vor Haushaltstreue. Je temporeicher wir impfen, desto gelockerter gesundet die Volkswirtschaft.

Angesichts des Erfolges, den die niedergelassenen Ärzte maßgeblich mitverantworten, ist es fast tragisch, dass sie in ihren Praxen so wenig Dosen haben und die Organisation lahmt. Mal kommt der Stoff, mal nicht. Wenn jetzt einige aus der Impf-Kampagne aussteigen oder gar nicht anfangen, mag das verständlich sein. In der schnellen Bekämpfung der Pandemie wäre es ein falsches Zeichen.